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Trägt Justitia eine Augenbinde oder ein Brett vorm Kopf?

Von Maarten van Heemskerck, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11975108

Jeder hat das Bild der Göttin Justitia mit ihren verbunden Augen und der Waage schon gesehen. Sie gilt gemeinhin als Symbol für „Gerechtigkeit“ und die Augenbinde soll unterstreichen, dass sie gerecht – ohne Ansehen der Person, um die es geht – für jedermann gleich entscheidet. Im Gegensatz dazu kann man auch mit einem Brett vorm Kopf blind sein, nur dass sich diese Version hauptsächlich dadurch auszeichnet, dass man auf seinem Standpunkt (oder Gesetzen) beharrt, obwohl gute Gründe dafür bestehen, dies nicht zu tun.

Um eine Antwort auf die Frage zu erhalten, ob es sich bei Justitia um eine Augenbinde oder ein Brett handelt, könnten wir uns Fälle aus der aktuellen Rechtsprechung ansehen. Dass ich selbst kein Jurist bin, würde ich in diesem Fall nicht als Nachteil ansehen. Eher als Benchmark- Test, inwieweit ein Durchschnittsbürger die Frage nach Brett oder Augenbinde wohl beantworten würde. Das Beispiel (Artikel des Deutschlandfunks im Link), das ich mir ausgesucht habe, ist der Fall der aus Syrien geflüchteten A. (geboren am 01.01.2001), die zusammen mit ihrem Ehemann (und Cousin) H. (geboren am 01.01.1994) im Spätsommer 2015 in Deutschland ankam. Wenn wir mal den (merkwürdigen) Zufall beiseite lassen, dass beide am gleichen Tag Geburtstag haben (ist das wirklich das Geburtsdatum/Jahr?), stellen wir einen gewissen Altersunterschied fest – was erst einmal nichts schlimmes wäre. Tatsächlich war die kleine A. am Tag ihrer Eheschließung aber erst 14 Jahre alt. Es handelt sich also um eine sogenannte Kinderehe.

Hier in Deutschland gab es dann natürlich Probleme, da eine Ehe in diesem Alter nach deutschem Recht nicht möglich ist – schon gar nicht, wenn der Ehemann bereits volljährig ist. Tatsächlich griff das Jugendamt ein und nahm A. in Obhut und ein Vormund wurde bestellt.

Und dann kam Justitia auf Touren. Um es kurz zu machen: das OLG Bamberg sprach im Beschluss vom 12.05.2016 unter dem Zeichen 2 UF 58/16 f folgendes Urteil (kompletter Text im Link):

  1. Dem einem minderjährigen Verheirateten bestellten Vormund kommt wegen §§ 1800, 1633 BGB keine Entscheidungsbefugnis für den Aufenthalt des Mündels zu. Dies gilt auch hinsichtlich wirksam verheirateter minderjähriger Flüchtlinge, wenn nach dem Recht des Herkunftsstaates insoweit ebenfalls keine elterliche Sorge besteht (Art. 15, 16, 20 KSÜ). (amtlicher Leitsatz)

 

  1. Eine in Syrien nach syrischem Eheschließungsrecht wirksam geschlossene Ehe einer zum Eheschließungszeitpunkt 14-Jährigen mit einem Volljährigen ist als wirksam anzuerkennen, wenn die Ehegatten der sunnitischen Glaubensrichtung angehören und die Ehe bereits vollzogen ist. (amtlicher Leitsatz)

 

  1. Die Unterschreitung des Ehemündigkeitsalters des § 1303 BGB bei einer Eheschließung im Ausland führt selbst bei Unterstellung eines Verstoßes gegen den ordre public (Art. 6 EGBGB) nicht zur Nichtigkeit der Ehe, wenn nach dem für die Eheschließung gem. Art. 11, 13 EGBGB anzuwendenden ausländischen Recht die Ehe bei Unterschreitung des dort geregelten Ehemündigkeitsalters nicht unwirksam, sondern nur anfechtbar oder aufhebbar wäre. (amtlicher Leitsatz)

Wem das Ganze etwas zur verschwurbelt ist, hier eine kurze Zusammenfassung:

  1. Es gibt keinen Vormund/Beistand/Schutz des Jugendamtes für die minderjährige Ehefrau.
  2. Da es in Syrien legal ist, eine 14-jährige zu heiraten und mit ihr Sex zu haben, ist es auch hier legal.
  3. Selbst wenn es in Syrien nicht legal wäre, bliebe es hier so lange legal, bis die Ehe in Syrien annulliert würde.

Und spätestens hier bin ich sehr skeptisch, ob die Augenbinde nicht vielleicht doch ein Brett ist!

Schauen wir uns die Folgen einmal genauer an. In der Urteilsbegründung wird von einer realen Liebesbeziehung zwischen den Ehepartnern ausgegangen. Es wird keinerlei Zwang vermutet. Das Jugendamt sah allerdings bei A. ein „noch eher kindliches bis jugendliches Verhalten und füge sich im Ergebnis den Erwartungen ihrer Familie und des Beteiligten H. (der Ehemann)“. Außerdem wurde befürchtet, dass A. schnell schwanger werden könnte, da Sex ohne wirksame Verhütung praktiziert werde. Ausgehebelt wurde das Ganze von einem Verfahrensbeistand. Leider gibt das Urteil keinen Aufschluss über den Beistand, aber es handelt sich in den meisten Fällen um Juristen. Die bestellte Verfahrensbeiständin (eine Frau!) sah aber in der Betreuung des Jugendamts und den stattfindenden beaufsichtigten Treffen der Ehepartner im Wesentlichen ein Integrationshindernis. Ob es der Vorgang war, der die Dame so mitgenommen hat oder nicht – im weiteren Prozess konnte die Dame aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auftreten. Es wurde eine Kollegin verpflichtet – wieder eine Frau. Auch sie teilte die Auffassung, dass es keinerlei Druck gab bzw. gegeben hätte und im übrigen die Ehe in Syrien völlig „normal“ wäre. Das Jugendamt blieb bei seiner gegenteiligen Auffassung. Am Ende zog Ehemann H. – mittlerweile 21 mit seiner Gattin A. (15 Jahre) als anerkanntes Ehepaar von dannen. Über das weitere Schicksal von A. ist mir bisher nichts bekannt.

Die Richter entschieden tatsächlich – soweit ich das beurteilen kann – auf der Basis gültiger Gesetze.

Was bedeutet das für uns? Zunächst erlauben wir dadurch ganz offiziell, dass ausländische Regelungen unsere Gesetze aushebeln dürfen. Wir erlauben also ausländischen Staatsbürgern, in Deutschland Gesetze zu ignorieren, an die wir uns alle halten müssen. Wenn es also, z.B. nach bestimmten religiösen oder kulturellen Gegebenheiten irgendwo möglich ist, dass eine 12-jährige einen 52-jährigen heiratet (was es tatsächlich gibt) und die beiden sich entschließen nach Deutschland zu kommen, ist das kein Problem. Die nächste Frage ist, gilt das dann auch für andere Kontexte? Wenn anderswo das Schlagen der Ehefrau erlaubt ist, gilt das dann hier auch? Gibt es überhaupt einen Kinder- bzw. Jugendschutz für ausländische Kinder in Paarbeziehungen?

Außerdem, wie erklären wir den Bürgern, dass es jetzt plötzlich 2 Klassen von Menschen in Deutschland gibt? Diejenigen, die unter dem Schutz bzw. Aufsicht der Gesetze stehen und die, für die das nicht gilt?

Wie können wir im Ernst annehmen, die Verheiratung einer 14-jährigen erfolgt aus dem reinen und erwachsenen Willen der Braut – egal in welcher Kultur? Wo sind denn eigentlich jetzt die Aufschreie der ganzen Feministinnen oder Feministen? Reicht es, wenn im Urteilstext korrekt gegendert wird? Reicht unsere Empörung über sexuelle Belästigung, um ein Gedicht von einer Hauswand löschen zu lassen, weil der Begriff „Frau“ darin vorkommt, aber nicht, um ein real existierendes Mädchen von 15 Jahren zu schützen?

https://www.girlsglobe.org/2013/04/15/child-marriage-a-global-issue/

Um es gleich zu sagen: das ist kein „Einzelfall“. Die WHO geht von 39.000 Kinderehen pro Tag aus. Wir MÜSSEN uns zu diesem Thema eine Meinung bilden, sofern wir nicht die Grenzen schließen wollen. Mehr als 1/3 aller Mädchen in den Entwicklungsländern werden als Kinder verheiratet.

Das Possenspiel mag zwar nach den gültigen Gesetzen verhandelt worden sein, aber das hat nichts mehr mit Augenbinde zu tun. Ich glaub auch nicht, dass ein Brett ausreicht, um auf eine solche Sichtweise zu kommen. Möglicherweise wurde ja Holz aus dem Hambacher Wald verwendet.

Danke für’s Lesen.

Euer Christian

#keinPolitiker

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Bauanleitung für einen Nazi

Normalerweise ist es recht schwierig, eine (fast) ausgestorbene Art wieder in ein bestehendes Biosystem einzugliedern. Es gab ja gute Gründe, warum die Art ehemals am Aussterben war, und der heutige Lebensraum enthält immer weniger Nischen, in denen „seltene“ Arten gedeihen können.

Wieso haben es also die Nazis geschafft, sich innerhalb weniger Jahre nicht nur deutlich zu vermehren, sondern jetzt auch munter dabei sind, ihre Nische zu verlassen und in manchen Gegenden sogar zur dominierenden Art zu werden? Wieso gibt es auf einmal so viele davon? Ich glaube, weil es so einfach ist, welche zu bauen.

Gehen wir das Ganze akademisch an, und überlegen, wie man am besten eine Nazipopulation aufbauen würde. Es gab ja nach dem Krieg erst mal gar keine mehr – die meisten behaupteten sogar, es habe nie welche gegeben. Scheinbar entwickelten einige Exemplare ein perfektes Mimikry und tarnten sich, um in der breiten Masse zu verschwinden. Auf diese Weise konnte sich eine Restpopulation erhalten, die jedoch sehr darauf bedacht war, unerkannt zu bleiben. Man kann zwar drüber streiten, aber nehmen wir einmal an, dass es auch bei den restlichen Nazis eine IQ-Normalverteilung nach der Gaußschen Glockenkurve gab. Es waren also so ca. 2 – 15% schlaue Köpfe (je nachdem, wie man das definiert) dabei. Trotzdem waberten die Nazis eher im Untergrund und diejenigen, die man so sehen konnte, waren offensichtlich nicht Teil der geistigen Elite.

Dann gab es erstmal Wirtschaftsaufschwung (im Westen) und sozialistisches Paradies (im Osten) und bis zum Fall der Mauer waren Nazis eher so ein Schmeißfliegenproblem.

Aber dann ging es los. Als Anfang 1990 die Mauer fiel, war erst mal Goldgräbern angesagt. Es war sozusagen ein Großexperiment mit einem (bzw. zwei) Ländern. Den Menschen im Osten wurden blühende Landschaften versprochen, die im Gegenzug dann auch brav den Versprecher wählten.  Einige schafften den Schnellkurs in Kapitalismus, für viele – wenn nicht die meisten – wurde es aber schnell eng. Diverse VEBs, einst sichere Arbeitsplätze, wurden geschlossen. Alles was irgendwie Wert hatte, schnell verscherbelt und viele Top-Manager aus dem Osten gab es auch nicht. Dafür schaffte es Eine aus dem Osten einige Jahre später ganz an die Spitze, das war es dann aber auch schon fast. Denn noch bevor man sich über tolle renovierte Fassaden und Glasfaserkabel in Leipzig und Co so richtig freuen konnte, kam die Wirtschaftskrise angekrochen. Die erwischte dann auch ganz Deutschland und wir erlebten viele Segnungen der modernen Sozialdemokratie wie Hartz IV, geringfügige Beschäftigungen, (Hunger-) Mindestlohn, weitere Rüstungsexporte, Bankenrettung, etc. Das wäre einen eigenen Blogbeitrag wert, aber das ist ja heute nicht das Thema. Zurück blieb eine Bevölkerung, die im Wesentlichen eins gelernt hatte: die fetten Jahre sind vorbei. Es ging nicht mehr um Wachstum oder Absicherung des Wohlstands. Es ging für die meisten eher darum, möglichst nicht abzurutschen. Und um die Stimmung endgültig zu killen, konnte man gleichzeitig einen beispiellosen Zugewinn bei einzelnen Privatvermögen erkennen. Weil man „den Aktionären“ verpflichtet war, entließ man halt Arbeiter, und die Dividende landete dann bei einer Handvoll Menschen. Dazu gesellte sich das unbestimmte Gefühl, dass man von der Politik prinzipiell verarscht wird. Kaum ein Versprechen wird gehalten, es geht nur noch um den Machterhalt und Probleme wurden schon lange nicht mehr gelöst. Damit waren die wichtigsten Bauteile für einen Nazi schon vorhanden: Angst, im eigenen Leben erhebliche Abstriche – wenn nicht Abstürze – hinnehmen zu müssen und das fehlende Vertrauen in die Menschen, die das Land eigentlich lenken sollten.

Das führte auch dazu, dass es plötzlich Parteien gab, die erkannt hatten, dass es eine große Menge unzufriedener Menschen in Deutschland gab. Am Anfang ungeschickt und schnell als rechte Eingreiftruppe erkennbar, folgte eine Professionalisierung. Klar, so aalglatt, wie die anderen Parteien ist die AfD (noch) nicht, aber das wird schon noch. Es reichte schon, dass man bei der AfD berechtigte Fragen stellte. Keiner merkte, dass die Antworten der AfD darauf scheiße waren. Es war auch egal, denn man wurde als besorgter Bürger endlich einmal gehört. Das gab genug Endorphine, dass man über die Folgen der vorgeschlagenen Antwort gar nicht erst groß nachdachte.

Bis hierhin war die Lage zwar brenzlig, aber beherrschbar. Eine funktionierende Gesellschaft kann ohne weiteres 5% AfD aushalten. Doch dann begann die Entrüstungskampagne, quasi zeitgleich mit dem Flüchtlingsstrom. Das sieht man in der Biologie übrigens häufig, dass Änderungen im Ökosystem plötzlich Nischenarten ins Rampenlicht und an den Anfang der Nahrungskette katapultieren. Wie war das bei uns?

Wenn man mit den Leistungen der Regierung nicht zufrieden war und ähnliche Fragen stellte wie die AfD, wurde man sofort eingemeindet. Dabei hat die Politik wesentlich beigetragen. Jedes Mal, wenn die AfD zu Wort kam, gab es Entrüstung. Alle, die nicht explizit gegen die AfD und deren Fragen waren, wurden zur AfD gerechnet. Ich denke, in der Zeit haben bei der AfD häufig die Sektkorken geknallt. Sie bekamen quasi Sympathisanten zwangsweise zugeteilt. Das führte dazu, dass zwei ziemlich simple und gut erforschte psychologische Effekte anliefen. Da ja immer mehr Menschen plötzlich – wegen ihrer Fragen und Kritik – Nazis bzw. AfD waren, fand man sich in einer immer größer werdenden Gemeinschaft wieder. Dies bewirkte einen „social Proof“, wie es im Marketing so schön heißt. Im Deutschen würde man es „soziale Bewährtheit“ nennen. Es ist eins der mächtigsten Instrumente, wenn man Menschen etwas andrehen will. Deswegen ist ja immer auch ein Fußballstar auf unserem Waschmittel usw. Wenn wir es genauso machen, wie die Leitperson oder eine große Menge anderer, sind wir bei unseren Entscheidungen sicherer. Wenn ich jetzt also irgendwo wohne, vielleicht in Chemnitz, und rund um mich rum werden meine Nachbarn alle Nazi genannt, obwohl die ja eigentlich ganz vernünftige Fragen stellen, habe ich gute Chancen mich davon anstecken zu lassen. Besonders, wenn mir die gleichen Probleme auf den Nägeln brennen. Der zweite Effekt war der „In Group / Outgroup“ Effekt. Auch er ist von enormer Stärke und beeinflusst sogar unbewusst Menschen, die sich eigentlich für schlau halten. Kurz gesagt bedeutet er, wenn ich mit meiner Gruppe auf eine andere (feindliche) Gruppe treffe, verstärkt sich automatisch der Zusammenhalt, man wird unkritischer gegen die eigenen Entscheidungen und lässt gerne mal den Zweck die Mittel heiligen. Nichts lässt eine Gruppe mehr zusammen rücken als das Auftauchen eines Gegners. Läßt sich wunderbar bei den vielen Demos und Gegendemos beobachten. Keine Seite hält sich noch an die Ideale, die man eigentlich vertreten wollte. Hauptsache man hat keinen Fußbreit nachgelassen. Glückliches Schulterklopfen auf beiden Seiten. Lustigerweise könnten auch beide Parteien einfach auf die Regierung sauer sein. Das wär dann vielleicht tatsächlich produktiv.

Als Katalysator in diesen Prozessen eignete sich die Flüchtlingskrise hervorragend. Klar, wir hätten in Deutschland (und weltweit) andere Probleme, die deutlich dringender sind, aber keins, dass sich so schön verbocken lässt. Unglücklicherweise sind dabei die Medien in einer Art Sippenhaft gelandet, aber das ist wohl die Konsequenz, wenn man als meistgekaufte Zeitung im Land eben keinen Qualitätsjournalismus hat und einfach vorne drauf druckt, was die höchste Auflage verspricht.

Was passierte z.B. in Chemnitz zum Thema Flüchtlinge im Jahr 2015? Ziemlich viel. Es gab in ganz Sachsen nämlich nur eine Erstaufnahmeeinrichtung. Diese Einrichtung nahm dann 70.000 Flüchtlinge auf. Wohlgemerkt bei einer Einwohnerzahl von ca. 246.000. Man könnte auch sagen, in dieser Zeit waren fast 30% der Bewohner Flüchtlinge. Mal so zum Vergleich: Mainz hat so ungefähr die gleiche Einwohnerzahl wie Chemnitz. Was wäre hier wohl passiert?

In der gleichen Zeit wurde in Sachsen erheblich am Personalbestand der Polizei eingespart. Nicht nur, dass die Stellen der erfahrenen Pensionäre nicht mehr aufgefüllt wurden, es gab auch für die jungen kaum bzw. keine Weiterbildung und – ganz wichtig – politische Bildungskurse. Dazu kommt, dass man dauernd nur aus den (Kriminalitäts-)Statistiken das vorliest, was einem in den Kram passt und unbequeme Inhalte einfach verschweigt. Ganz verheerend besonders bei Menschen, die es gewohnt sind, sich mit den Hintergründen einer Nachricht zu beschäftigen. So vergrault man die gut Informierten und Engagierten zuerst.

Man sieht, die Hauptzutaten sind schnell ausgemacht. Man bringt eine Bevölkerung dazu, sich vor der eigenen Zukunft zu fürchten, lässt sie erleben, wie sich Zukunfts- u. Lebenspläne in Luft auflösen, zerstört die (eigene) Glaubwürdigkeit als Politiker und setzt das Ganze dann unter Dampf, indem man noch eine Überlast an Integrationsbedarf abwirft, ohne die Region darauf vorzubereiten bzw. zu unterstützen. Damit es nicht nur ein Strohfeuer bleibt, bringt man mit einer Konkurrenzgruppe noch genügend Potential zum Abarbeiten an den Start…. und schon bauen sich weitere Nazis ganz von selbst. Schade das man die Geschäftsidee nicht zu Geld machen kann. Ein echter Selbstläufer.

Bevor mir jetzt jemand den Aluhut schickt: Ich glaube nicht, dass es eine Verschwörung ist, von dunklen Gestalten in dunklen Hinterzimmern ausgedacht. Ich glaube vielmehr, das ist das Resultat, wenn man genügend unfähigen Menschen zu viel Macht gibt. Es entwickelt einfach eine Eigendynamik.

Was ist die Moral von der Geschichte? Wenn ihr wollt, dass es weniger Nazis gibt, müsst ihr dafür sorgen, dass die wichtigsten Baumaterialien dafür fehlen. Die bestehenden Nazis anzuschreien, wird gar nichts ändern. Wie man sieht, wird die Zahl derer, die wir an den rechten Rand verloren haben eher größer statt kleiner. Trotz (oder wegen) totaler Ausgrenzung. Die Menschen, die mit Hitlergruß und „Töten“-Rufen durch die Stadt ziehen, wird man kaum noch erreichen können. Die Ganzen, die stumm mitlaufen, schon. Vielleicht wäre es wirkungsvoller, wenn man auf der „Gegenseite“ nicht schreiend und laut ausgrenzen würde. Wie wäre es mit einer komplett stillen Mahnwache und einem Plakat: „Kommt zurück. Wir brauchen Euch“? So ist es nämlich. Wir brauchen jede Stimme, wenn wir eine Regierungsbeteiligung der AfD verhindern wollen. Und noch viel mehr Stimmen, wenn wir endlich einmal eine Regierung haben wollen, die sich auch um die Menschen statt um Mehrheiten kümmert.

Danke für’s Lesen. Seid lieb!

Euer Christian

#keinPolitiker

 

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Dann nennt mich halt Nazi….

Die Nazis von 1933 würden sich wahrscheinlich im Grab umdrehen, wenn sie hören würden, wer heutzutage alles Nazi genannt wird. Damals, also 1933, musste man (sich) schon einiges leisten, um wirklich als Nazi akzeptiert zu werden. Bei Juden Scheiben einwerfen, Behinderte anzeigen und deportieren, Kinder und Jugendliche zu Soldaten „heranformen“. Gauleiter wurde man nicht einfach so! Heute, so scheint es mir häufig, gibt es ja überall Nazis – quasi. Es reicht allerdings schon, wenn man nicht in der Karenzzeit von 30 Sekunden empört und unter Protest aufspringt, wenn jemand den Raum betritt, der in seiner Facebook-Freundesliste einen hat, der einen kennt, der wahrscheinlich AfD wählt. Harte Zeiten, kein Nazi zu sein. Die sind ja plötzlich überall.

Das Thema würde sich so gut für Satire eignen, wenn es nicht so traurig real wäre. Das „gute“ Deutschland steht geschlossen gegen Rechts – nur dass scheinbar bei einigen der Kompass kaputt ist. Da wird gegen Faschismus demonstriert und im gleichen Atemzug politisch anders Denkenden das Demonstrationsrecht abgesprochen. Da ist man gegen Gewalt, verhaut aber ganz gerne mal Menschen, die die „falsche“ Parteiflagge tragen. Insgesamt scheinen die demokratischen Ideale im Moment eher eine Frage der Windrichtung. Ich konnte es gar nicht glauben, als mir bei einer Demo in Mainz erklärt wurde, es gäbe kein Recht auf Nazipropaganda. Leider falsch! Gibt es sehr wohl in einer Demokratie. Solange das nicht im Widerspruch zu den gültigen Gesetzen steht, darf jeder beliebig Dummheiten von sich geben. Auch wenn mir das nicht passt. Wobei… bei „Kein Recht auf Dummheit“ – egal von welcher Himmelsrichtung – wäre ich sofort dabei. Faschismus beginnt genau da, wo ich mir Sonderrechte einräume, weil ich ja „der Gute“ bin.

Wir buhen, pfeifen und grenzen aus, was das Zeug hält, wenn die AfD & Co. irgendwo erscheint. Im Bundestag sind sich die Parteien nur bei 2 Punkten einig: bei Diätenerhöhungen und dass die AfD Scheiße ist. Ich verstehe schon, dass man das Bedürfnis hat, gegen Rassismus und Fremdenhass etwas zu unternehmen. Allerdings sollte man von Zeit zu Zeit auch mal schauen, ob das bisherige Verhalten den gewünschten Effekt hatte. Was haben wir denn bisher erreicht, sagen wir in den letzten 3 – 4 Jahren? Konnten wir „die Bösen“ zurück drängen? Gibt es jetzt weniger fremdenfeindliche Parolen? Haben wir die Ursachen dafür wirkungsvoll bekämpft? Pustekuchen! Es wurde eher schlimmer als besser und ich darf gar nicht daran denken, wie die nächste Wahl wohl ausgeht.

Kein Mensch wird als Nazi geboren – nicht mal in Sachsen. Ich glaube auch, dass 95% der Menschen, die AfD wählen, weit davon entfernt sind, wirklich Nazi zu sein. Es mag nicht schlau sein, aber sie wählen die AfD aus Angst – nicht aus Hass. Und genau deshalb, machen wir es immer schlimmer und werden den Zulauf der rechten Parteien nicht mindern können. Statt diesen Menschen ihre Angst um Zukunft, wirtschaftlichen und sozialen Abstieg oder Sicherheit zu nehmen, kesseln wir sie lieber bei Demos ein, hetzen bei jeder Gelegenheit über sie und machen deutlich, dass sie „nicht zu Deutschland“ gehören. Jetzt mal ehrlich – das soll funktionieren? Zurückdrängen der Rechten durch Ausgrenzung? Lief ja die letzten Jahre super.

Wenn wir wollen, dass es weniger Rechte gibt, sind – so glaube ich – 2 Dinge elementar: Wir müssen wieder ehrlich sein und wir müssen diesen Menschen die Angst nehmen. Zum Glück – oder Unglück – sind diese beiden Punkte eng miteinander verknüpft.

Was meine ich mit „ehrlich sein“? Keine Sau glaubt noch einem Politiker. Wir werden permanent mit lustigen Statistiken berieselt, dass alles gut ist. Wer genauer hinsieht, stellt schnell fest, dass hier gerne mal Details ausgelassen werden. Mein Lieblingsbeispiel ist das Thema Kriminalität bei Zuwanderern bzw. Asylanten. Offiziell hören wir etwas über einen insgesamt gesunkenen Level an Kriminalität. Wer sich aber die Mühe macht, findet in den Zahlen tatsächlich Besonderheiten, die auf Zuwanderung und Asylrecht zurück gehen. Es ist also durchaus berechtigt, sich Gedanken zu machen, inwiefern Asylsuchende die Sicherheit der Bürger beeinflussen. Deswegen ist man noch lange kein Nazi. Außerdem ist es für einen normalen Bürger kaum einsehbar, warum er bei jeder kleinen Ordnungswidrigkeit sofort – bis zur Durchsetzung von Ordnungshaft – vom Staat zur Rechenschaft gezogen wird, während man andererseits einfach Regeln und Gesetze außer Kraft setzt oder Jahre braucht, um einen Kriminellen wieder abzuschieben – falls das überhaupt möglich ist. Mir ist klar, dass es für die langen Verfahren gute Gründe gibt, die nun mal in der Natur eines Rechtsstaats (Widerspruchsrecht) liegen, aber das hilft den meisten Menschen in ihren jeweiligen Lebensumständen überhaupt nicht.

Insgesamt scheint die Frage des Asyls der Prüfstein unserer Gesellschaft zu sein. Ich wollte es wäre anders, denn es gibt kaum eine schwierigere Frage. Auch hier, denke ich, sollten wir zuerst ehrlich mit uns selbst sein. Das wir in Deutschland geboren sind und nicht in Mali, ist Zufall. Wir waren wahrscheinlich nur wenig am deutschen Wirtschaftswunder beteiligt und kaufen gerne Waren, die billig aus dritte Welt Ländern eingeführt werden oder von deren Arbeitskräften erzeugt wurden. Wir haben in den letzten 50 Jahren wahrscheinlich nicht effizient gegen Krieg in aller Welt gekämpft und arbeiten gerne in einem Betrieb, der u.U. von der EU Wirtschaftspolitik, die dritte Welt -Staaten ausbeutet, profitiert. All das ist so, aber falls wir nicht gerade zu den paar hundert Politikern oder Industriellen mit echter Macht gehören, haben wir wenig Möglichkeiten daran etwas zu ändern. Der ethische Imperativ sagt uns ganz klar: unser Leben ist nicht mehr wert, als der des 15-jährigen Jungen aus der Sahelzone, der sich auf den Weg nach Europa macht. Insofern gibt es keine „moralische“ Rechtfertigung, Menschen den Zugang zu unserem Land zu verweigern. Jedes Leben zählt gleich und deswegen kann „Asyl“ – als lebensrettende Maßnahme – eigentlich keine Obergrenze haben. Eine Grenze wäre sowieso aus dieser Sicht paradox. Wenn ich z.B. 100 Leben rette, wieso dann nicht 101? Es gibt schlicht keine Zahl, ab der unser System einfach kollabiert. Es ist ein schleichender Prozess.

 

Von Gottlieb Doebler – http://www.philosovieth.de/kant-bilder/bilddaten.html, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32847847

Ich bezweifle das Kant mit seinem kategorischen Imperativ das wirklich hätte leben können, wenn er denn mal aus Königsberg und seinem Elfenbeinturm herausgekommen wäre. Ich gestehe, ich könnte das nicht. Auch wenn mir klar ist, dass alles Leben gleich viel wert ist, werde ich das Leben der Menschen, die ich liebe, immer höher schätzen als das von Fremden. Möglicherweise macht mich das zu einem kaltherzigen Nazi, aber so ist es. Ich bin bereit, unmoralische Dinge zu tun (bis zu einem gewissen Punkt), wenn ich damit meine Kinder, Frau, Familie oder Freunde schützen kann. Selbst wenn es um die Abwehr zukünftiger Gefahren – die vielleicht nie real werden – geht. An alle, die jetzt erschüttert den Kopf schütteln: Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass ihr in einer konkreten Situation auch so handelt. In der Psychologie spricht man dabei von In-Group und Out-Group Effekten – die in unserem sozialen Gehirn fest verdrahtet sind. Wir werden immer im Interesse unserer Sippe handeln, wenn es eng wird. Trotzdem sind wir Menschen zu größtem Mitgefühl fähig und unser Gehirn ist nur deshalb so leistungsfähig, weil es ein Organ zum Leben in sozialen und teilweise altruistischen Systemen ist.

Wie passt das mit unseren Nazis zusammen? Die Konstellation ist einfach zu verstehen. Menschen, die auf ihrer Flucht nach Europa kommen, sind die Out-Group, die mit den Einheimischen um Ressourcen konkurrieren. Das erzeugt Angst, noch bevor sich Mitgefühl einstellen kann. Dabei wäre Mitgefühl eine unserer großen Stärken. Keine andere Tierart verfügt über derart ausgeprägtes Mitgefühl. Wie könnte man das nutzen?

Zunächst: Mitgefühl entsteht bei Menschen immer nur in einem Kontext von Gerechtigkeit und Wertschätzung. Jemand, der sich ungerecht gegenüber anderen verhält, oder das Mitgefühl nicht schätzt, verliert schnell die Unterstützung seiner In-Group. Es ist für uns wichtig, dass der Mensch, mit dem wir fühlen, es auch verdient. Dabei gibt es auch eine Art biologisch einprogrammierte Prioritätenkette von schwach nach stark. Deswegen schwillt vielen der Hals, wenn auf den Rettungsboten im Mittelmeer nur Männer zwischen 18 und 25 sitzen. Unsere „Frauen und Kinder zuerst“-Regel im Kopf ist schon seit den Anfängen der Evolution trainiert und lässt sich von Quotenregelung und Gleichberechtigungsbemühungen nur wenig beeindrucken. Sie ist nicht nur biologisch sinnvoll (Erhaltung der Art), sondern auch moralisch einwandfrei – der Starke hilft dem Schwachen. Es ist kein Geheimnis, dass diejenigen, die es bis ins Mittelmeer schaffen, zwar unmenschlich leiden, aber immer noch die „starken“ sind, gegenüber denjenigen – oft eben Frauen, Kinder, Alte – die auf dem Weg ans Meer weder die Kraft noch das Geld hatten. Die ganz Schwachen fischen wir nicht aus dem Meer. Wir lassen sie in den Krisengebieten sterben.

Von Frank C. Müller, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47487290

Ich will nicht, dass jemand im Mittelmeer auf der Flucht ertrinkt und das Bild des kleinen Alan Kurdi werde ich sicher nie wieder vergessen können. Die Frage ist, machen wir es besser, wenn wir diese Menschen dann nach Europa bringen oder sollten wir sie wieder an die Küste Afrikas zurück bringen? Ich befürchte, auf diese Frage gibt es keine Antwort mit der ich leben könnte. Ich bin eher dafür, das der Westen die Fluchtrouten organisiert, und zwar mit Startpunkt in den jeweiligen Krisengebieten und einer Auswahl vor Ort. Keine gefährliche Reise, kein Geld an Schleuser, kein Ertrinken, keine Zwangsprostitution und keine Kriminalität, weil man sich an die Spitze der Nahrungskette beißen will. Wir suchen nach humanitären Gesichtspunkten aus! Kinder, Frauen, Alte… Es dürfte nicht schwierig sein, sich auf ein Regelwerk zu einigen, dass für den Westen funktioniert. Dann bringen wir die Asylsuchenden in unser Land. Daneben würde keine weitere Einreise mehr geduldet.

Es bliebe natürlich noch die Frage der Zahl. Wie viel verträgt unsere Gesellschaft? 10.000, 100.000, 1.000.000 oder vielleicht Alle, die kommen wollen? Wie kann man es schaffen, dass die Menschen ihr Herz bis an die absolute Grenze dessen, was machbar ist, öffnen können, ohne Angst zu bekommen? Vielleicht würde es helfen, wenn man aufhört, nach nur einer Zahl zu suchen. Deutschland besteht aus einer großen Anzahl von Städten und Gemeinden. Alle ähnlich, und doch immer anders. Jede Zahl, die die Bundesregierung festlegt, wird von den Bürgern als „von oben beschlossen“ empfunden – gleichsam von einer anderen Out-Group festgelegt. Was wäre, wenn nicht Deutschland eine Quote für Asylsuchende festlegt, sondern jedes Dorf und jeder Stadtteil selbst? Was glaubt ihr? Stimmt die Bevölkerung eher für eine abstrakte (hohe) Zahl für die Bundesrepublik oder lieber für die Anzahl der Asylanten in der direkten Nachbarschaft? Was würde passieren, wenn man regelmäßig im Gemeindeblatt lesen würde, „Hallo, wir haben 3 allein erziehende Mütter, 4 Familien und einen Rentner, der in Deutschland Asyl sucht. Haben wir Platz (und ein Herz) für diese Menschen?“ Ich glaube, dass es auf diese Art viel mehr Platz für Asylsuchende gäbe. Am Ende wäre die Gesamtzahl wahrscheinlich viel höher als alles, was politisch als Obergrenze durchzusetzen wäre. Es ist schlicht einfacher, eine Entscheidung für das eigene soziale Umfeld zu treffen, als mit Direktiven von oben zu leben. Außerdem würde man auf diese Weise die „Out-Group“ zur „In-Group“ machen. Viel weniger Angst wäre die Folge. Wenn wir es dann noch schaffen, in Politik und Gesellschaft wieder ehrlicher zueinander und mit uns selbst zu sein, Menschen nicht einfach als Nazi abstempeln, sondern deren Ängste anzuerkennen und (hoffentlich) auch zu nehmen, könnte es wirklich funktionieren mit Deutschland.

Klar, das wäre logistisch, organisatorisch und politisch eine riesen Anstrengung – aber es wäre es wert. Wir hätten wieder Frieden. Dafür lass ich mich sogar Nazi nennen….

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Meine Deutschland Charts

Eins meiner liebsten Mottos ist „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten“. Es ist eins der wenigen, die man quasi universell anwenden kann und die die Situation meistens verbessern.

Für einen Bürger in der Politik ist das meistens nicht ganz so einfach. Die „offiziellen“ Stellen werden hier immer einen Wissensvorsprung haben, wenn auch häufig einen gleichzeitigen Mangel an gesunden Menschenverstand. Ich rede jetzt ausnahmsweise mal nicht vom Thema Giftgas (Syrien, Skripal), bei dem erst Reaktionen folgen und dann die Analyse.

Auch bei normalen Bundestagsentscheidungen kommen die meisten Vorlagen aus langen Beratungsausschüssen, bei denen – mehr oder weniger – gute Experten alles gesichtet haben und Vorschläge gemacht haben. In einigen Fällen gibt es relativ gut informierte Bürgerinitiativen oder eben auch private Spezialisten, die in den Medien einen Standpunkt verteilen. So „gut“ und umfangreich wie die Lobbyverbände, die die Interessen der Industrie vertreten, sind die alternativen Aktivisten aber selten.

Heißt das jetzt, dass man als Bürger sehr zurückhaltend die Handlungen oder Pläne der Regierung bewerten sollte? Quasi als gut gemeinte Form eines modernen Paternalismus und brav drauf vertrauen, dass der Bundestag in Berlin schon das Richtige macht? Wohl eher nicht! Viele, wenn nicht die meisten Entscheidungen in Berlin sind eher von politischen Motiven als von Sachfragen getrieben. Nicht? Wir glauben also, dass bei der Debatte um Asyl nur Fakten zählen und nicht, wer die Volksmeinung hinter sich bringen kann? Genau. Außerdem kann man ja offensichtlich auch ohne besondere Fachqualifikation Minister werden. Ich erspare uns die Beispiele.

Was Bürger (besser) können, ist meistens nicht die detaillierte Klärung aller Fachfragen, sondern die Anwendung auf gesunden Menschenverstand – jenseits aller Netzwerke und Lobbys – auf grundsätzliche Fragen.

Stellt sich die Frage, was man persönlich für die wichtigen Fragen hält, zu denen man eine Meinung haben sollte. Immer gern genommen sind ja 3-, 5-, 9- oder 12-Punkte-Pläne, mit denen die neuen Minister oder Regierungen dann immer auflaufen. So quasi ein Telegramm mit allen wichtigen Inhalten – liest sich Rückblickend meistens wie einen Not-to-Do-Liste.

Wie würde meine persönliche Liste denn aussehen? Hier meine persönlichen Politik-Charts – geordnet nach Wichtigkeit:

  1. Gesundheitswesen
    Gesundheit gehört nicht in private Hand. Rückkehr zum Solidarprinzip. Alle zahlen ein. Das Geld bleibt im System bzw. in der Gesellschaft. Von den ca. 2.000 Krankenhäusern in Deutschland sind rund 700 ausschließlich kommerzielle Unternehmen, der Rest versucht auch irgendwie Geld reinzuholen. Der größte private Anbieter, die HELIOS Gruppe, hatte mal eben so ca. 550.000.000 (550 Millionen€) Gewinn, während die Personalschlüssel auf den Stationen immer dünner werden. Über Gehälter reden wir gar nicht. Ich will hier in Deutschland alt werden und auch mal krank sein können, ohne die Furcht, irgendwo im Gang vergessen zu werden.
  2. Steuersystem
    Wer in Deutschland Geld verdient, zahlt auch hier Steuern – gilt besonders für internationale Konzerne. Ende mit Steuersparmodellen. Weiterhin Einführung einer Vermögens- und Erbschaftsteuer für sehr große Vermögen. Geringere Steuer auf produzierende Arbeit und höhere auf Finanzdienstleistungen. Ehegattensplitting weg, hin zu einer Besteuerung, die Familien mit Kindern mehr Freiräume schafft. Keine Besteuerung von Renten.
  3. Bezahlung
    Mindestlohn wird erhöht – auch um das Lohnabstandgebot zu Sozialleistungen ins Gleichgewicht zu bringen. Enge Grenzen für prekäre Beschäftigungen. In öffentlichen Einrichtungen werden die Tarifverträge an gesellschaftliche Wichtigkeit gekoppelt. Mehr Geld bekommt nicht der, der am längsten in einem Amt Akten dreht, sondern der, der die meisten Patienten umbettet, Alten pflegt, oder Kinder erzieht. Der Staat geht voran in der finanziellen Kompensation bei gesellschaftlichen wichtigen Funktionen.
  4. Renten, Hartz IV und Sozialleistungen
    Trennung von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und (Erwerbsminderungs-)Renten. Die Unterstützung orientiert sich an Lebensleistung und/oder Gesundheitszustand. Wer mit 23 aufgrund eines unverschuldeten Unfalls Frührentner wird, wird von der Gesellschaft genauso aufgefangen, wie ein Mensch der nach 40 Berufsjahren arbeitslos wird. Wer nie gearbeitet hat, bekommt Unterstützung, aber eben auf einem völlig anderen Niveau. Kinder werden nicht für die Arbeitslosigkeit der Eltern bestraft. Sozialhilfesätze müssen fair sein. Grundsicherung kann nur in extremen Fällen von Verweigerung verwehrt werden – was der absolute Sonderfall sein sollte. Mittel- u. langfristig Systemwechsel hin zum bedingungslosen Grundeinkommen bei entsprechender Umschichtung der Sozialleistungen.
  5. Kernfunktionen des Staates
    Die Ressourcen von Polizei und Justiz sind so zu gestalten, dass eine zeitnahe und effektive Einhaltung bzw. Umsetzung der Gesetze gewährleistet ist. Damit ist kein Polizeistaat gemeint, sondern dass z.B. Polizisten nicht hunderte Überstunden vor sich her schieben und es eine Stunde dauert, bis mal jemand auftaucht bzw. Monate bevor eine Straftat verhandelt wird. Keine neuen Gesetze – aber konsequente Anwendung.
  6. Direkte Demokratie / Parlamentsreform
    Einführung von Volksentscheiden und Verkleinerung des Parlaments sowie Reduzierung der Stabsfunktionen.
  7. Bildungspolitik
    Bildung ist frei und originäre Aufgabe des Staates. Keine Studiengebühren und Bekämpfung der Undurchlässigkeit des Deutschen Bildungssystems. Soziale Herkunft darf kein Zugangshindernis für Bildung sein. Aufwertung der handwerklichen Abschlüsse. Deutschland verfügt über fast keine Rohstoffe – außer Gehirnzellen. Auf diesen Rohstoff müssen wir setzen.
  8. Außenpolitik
    Humanität als Leitbild. Bekämpfung der Fluchtursachen als oberste Priorität – sowohl in Kriegsgebieten als auch in Hunger- oder Armutszonen. Beschränkung von subventionierten Exporten an Entwicklungsländer. Schuldenerlass für dritte Welt Staaten. Versuch eines europäischen Verteidigungsbündnisses – alternativ zur NATO. Ende der Expansionspolitik der EU solange keine vernünftige Konsolidierung der Mitgliedstatten eingetreten ist. Kritische Überprüfung der ursprünglichen Ziele und erreichten Leistungen der EU. KEINE (absolut keine!) Waffenexporte in Krisenregionen. Einführung einer Haftung für den Endverbleib von Waffenexporten.
  9. Gleichstellung / Familienrecht
    Konsequente Gleichstellung beider Geschlechter im Familienrecht – auch in der tatsächlichen Rechtsprechung. Abkehr von „einer betreut“ – „einer bezahlt“ Prinzip. Echte Gleichberechtigung wird nur zu erreichen sein, wenn wir damit auch möglichst früh in den Familien beginnen und entsprechende Strukturen schaffen. Das konservative Familienbild der 70er – 80er Jahre wird nicht länger die Messlatte für die Handlungen des Staates. Erziehungsaufgaben sind von hoher gesellschaftlicher Wichtigkeit und sollten deswegen vom Staat gegenüber den Forderungen der Wirtschaft geschützt werden. Jeder (Mann oder Frau), der sein Kind selbst erziehen will, kann zu Hause bleiben und erhält einen entsprechende finanzielle Absicherung – deutlich über Grundsicherung.
  10. Ein- u. Zuwanderung
    Etablierung einer klaren Einwanderungspolitik nach „Green-Card“ Modell (qualifizierte, geeignete Bewerber und Quote) in Deutschland. Vorübergehende (hier wirklich so viele wie möglich – aber ohne den inneren Frieden zu gefährden) Obergrenze beim Asyl – nur solange, bis entsprechende Integrationskonzepte geschaffen sind. Asyl nicht nach „wer es bis hierher (EU Außengrenze) schafft“, sondern Auswahl der Asylberechtigten möglichst nahe am Krisenherd nach Bedürftigkeit (z.B. Kinder, alleinstehende Mütter usw. zu erst.) Keine Deals mit Türkei und Co. Wir kaufen uns nicht aus unserer humanitären Verpflichtung frei. Bessere Integrationskonzepte für Asylsuchende – insbesondere bessere Verteilung. Recht auf Asyl kann verwirkt werden – nur bei schweren Straftaten.

Klar, jetzt werden viele sagen: Und wie will er das alles finanzieren? Ich hab jetzt gerade mal kein Excel-Spreadsheet mit den Kalkulationen angehängt ;-). Spaß beiseite: Ich bin sicher, dass sich eine Lösung finden lässt. Wir konnten ja auch – alternativlos und quasi über Nacht – etliche Milliarden für Banken- u. EU-Rettung finden. Dann klappt das bestimmt auch für Deutschland.

So… das wäre mein 10. Punkte Plan. Mit der aktuellen Bundesregierung hab ich wahrscheinlich nur die jeweiligen Titel und die Anzahl der Punkte gemeinsam. Wie sieht das mit euch aus? Was sind eure Top 10? Schreibt doch mal!

Danke für’s lesen.

Peace – euer Christian

#keinPolitiker

 

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Die Wurzel allen Übels

„Die Wurzel allen Übels“ – eine Redewendung, die wohl jeder schon einmal gehört hat. Soweit ich das nachverfolgen konnte, war damit ursprünglich das Geld – als Wurzel allen Übels – gemeint. Ob das wirklich so ist weiß ich nicht, aber für möglich würde ich es halten.  Davon unabhängig finde ich es gut, den Dingen oder Ursachen auf den Grund zu gehen. Etwas zu verstehen kann niemals schlecht sein. Eher im Gegenteil.

Gestern hab ich einen Artikel im Netz gelesen, der sich mit der Stadt Cottbus beschäftige. Eine Menge Gewalt, Klischees, Beschuldigungen und erhobener Zeigefinger plus Kopfschütteln. Die stetig präsenten Reizwörter waren auch wieder dabei: Asyl, Rechte, Linke, Gutmenschen usw. Es hängt mir so zum Hals raus.

Ich hab keine Ahnung warum wir uns mit den Etiketten Rechts, Links, Bürgerlich, etc. überhaupt noch abgeben. Was soll das bringen? Vereinfachung? Funktioniert offensichtlich nicht. Wenn ich mich heute zu politischen Themen äußere, kann ich nie sicher sein, welchem Lager mein Gegenüber meine Äußerung zuordnet. Ehe man sich versieht, wird man als Nazi oder linksversiffter Hippi durchs Dorf getrieben. Ich kann sagen, dass mir z.B. die Ziele der AfD als Partei im Wesentlichen nicht zusagen, das gilt aber auch für SPD, Grüne und CDU. Ich halte den Familiennachzug aber auch für ein extrem kritisches Thema – was ich dann wieder mit der Identiären Bewegung gemein hätte, deren Fan ich ausdrücklich nicht bin.

In der Politik hat alles mit Parteien zu tun. Es heißt ja auch: Partei ergreifen. Ich glaube, wir haben da was falsch verstanden. Zunächst habe ich mir eine Meinung zu bilden und dann vertrete ich diese – vielleicht vertreten durch eine Partei – oder auch nicht. Aber unsere Weltanschauung besteht aus mehr als einer Meinung zu einem Thema. Welche Partei soll mich da also vertreten? Brüder im Geiste zu finden ist da schon wesentlich schwieriger. Die Parteien suchen dann Mehrheiten in dem Meinungsbild der Bevölkerung und schwingen sich dann an, dieses zu vertreten. Verkehrte Welt. Ein Partei hat eine Meinung zu haben und wer als Wähler dem zustimmt, soll die halt wählen. Ein Partei, die dauernd das Programm nach „Volksmeinung“ – oder was man dafür hält – ändert, ist keine Partei sondern ein Trupp Populisten. Noch schlimmer sind die, deren Parolen nicht mal 2 Wochen nach den Wahlen in Rauch aufgehen – nennt sich dann Koalitionsverhandlungen.

Genau deshalb ist die Welt voller Vereinfacher aka Bauernfänger, die uns weißmachen, dass es nur richtig und falsch gibt, alle Klischees stimmen und überhaupt nur sie – wenn überhaupt – können die Welt retten. Ich kann schon verstehen, warum viele Menschen sich für diese Lösung entscheiden und einfach jemanden folgen der laut und wütend schreit. Menschen, besonders jene die wirtschaftlich schwach und abhängig sind, sind leicht zu Ängstigen und Angst ist eine mächtige Motivation. Wenn ich es schaffe Menschen Angst zu machen, kann ich sie in fast jede Richtung bewegen. Warum haben aber so viele Menschen bei uns Angst? Angst vor Arbeitslosigkeit, Altersarmut, sozialer und realer Gewalt… die Liste ist endlos. Weil sie sich nicht beschützt fühlen. Das, und genau das, wäre eigentlich die originäre Aufgabe eines Staates.

Wer heute Arbeitslos wird, landet nach 12 Monaten im sozialen Abseits, wer krank wird und seinen Beruf nicht mehr ausüben kann muss mit Renten knapp über dem Existenzminimum leben, wer mehr Rente bekommt zahlt Steuern, aber eine Vermögenssteuer für die Superreichen gibt es nicht. Die zahlen nämlich gar keine. Während man im Deutschland über die Unterbringung von Asylanten debattiert, suchen viele der 7,5 Millionen geringfügig Beschäftigten in Deutschland eine Wohnung die sie bezahlen können. Es gibt Viertel in Großstädten in denen keiner mehr hin will/soll, Bundeswehr ist quasi nicht Einsatzfähig und Polizei und Justiz seit Jahren unterbesetzt und frustriert. Keine Frage Asyl ist Menschenrecht und muss geschützt werden – das müssen die eigenen Bürger aber auch. Bei ständig steigendem Bruttosozialprodukt, Steuerrekorden und Wirtschaftswachstum kann man eigentlich annehmen, dass man beiden Seiten gerecht werden kann.

Der eigentlichen Gründe für die Angst der Leute ist nicht Dummheit oder schlaue Bauernfänger. Es ist ein nicht funktionierender Staat. Wer kann sich den heute Ernsthaft von den „etablierten“ Parteien vertreten fühlen? Vielleicht 1-2% der Gesellschaft. Der Rest wird mit Krümeln – bestenfalls – abgespeist und bildet sich nur ein, „seine“ Partei würde schon für das Wohl aller Sorgen.

Wenn ich mir jetzt das GroKo gewürge ansehe und die einfach weiterregierende Kanzlerin bin ich sicher, dass keine Sau mehr an die Politik als Lösungsweg glaubt.

Wie soll das weitergehen? Ich glaube, die Politik ist zu wichtig um sie den Politikern zu überlassen. Rudi Dutschke sprach 1967 von einem Marsch durch die Institutionen um die gesellschaftlichen Strukturen von innen heraus zu verändern. Ich fürchte, dafür fehlt uns heute die Zeit wenn wir nicht eine dunkle Epoche riskieren wollen. Ich habe darüber ja schon in meinem Beitrag „Die kommenden Tage“ geschrieben.

Eine Patentlösung habe ich nicht, aber ich glaube es würde helfen, wenn wir – jeder für sich – helfen würde, den Staat zu reparieren. Dabei spielt es keine Rolle ob wir das in der Nachbarschaft machen, im Sportverein, der Gemeinde, Kommune oder eben als Nicht-Politiker in der Politik. Wir müssen zeigen, dass das funktioniert und wir – das Volk – nicht die Politiker, die Ärmel hochkrempeln und anfangen. Ich will auch mehr Direktkandidaten und Parteilose bei den Wahlen zu Gemeinderäten, Bürgermeistern, usw. #keinPolitiker als Hashtag würde ich gerne bei vielen Aktionen sehen, die dabei helfen, die Probleme wirklich anzugehen.

Geht nicht der Angst auf den Leim. Wenn ihr Probleme seht, bekämpft die Ursachen nicht die Symptome.  Ein wenig Zeit haben wir noch.

Danke für’s Lesen.

 

Peace – euer Christian

#keinPolitiker

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Die Toten von Berlin – das Ende der Differenzierung

Mittlerweile läuft das alles ziemlich eingespielt. Schon wenige Minuten nach dem Anschlag bietet Facebook die Funktion „In Sicherheit“ an, die ersten Chronik- und Profilbilder werden angepasst, ausländische Nachrichtenagenturen reden von Terroranschlag und die Deutschen ziehen dann irgendwann am nächsten Tag mit „könnte eventuell Terror gewesen sein“ nach. Die Rechten wollen schon Trucks chartern, um Flüchtlinge abzuschieben, die „Gutmenschen“ (grauenhafter Begriff) posten sofort, dass es egal ist, welcher Nationalität oder Religion der Mörder angehört. Der Innenminister wird wahrscheinlich dann auch irgendwann erzählen, dass wir dringend mehr „Vorsorge“ brauchen und lässt ungesagt, dass es nicht die Technik war, die den Attentäter gefasst hat, sondern Zivilcourage. Ein mutiger Mitbürger hat ihn nämlich einfach verfolgt und die Polizei gerufen. Folgerichtig wären also Kurse in Zivilcourage angesagt, nicht mehr Überwachung.

Da ich ja quasi ein „Linker“ bin (wer weiß, ob das nach dem Beitrag noch so ist), erscheinen bei mir auf Facebook natürlich auch entsprechende Beiträge. Ganz weit vorne ist ein Beitrag, der vom Komiker Ruthe (toller Typ!) direkt nach den Anschlägen veröffentlicht wurde. Dort wird festgestellt, wer die Schuld an den Toten in Berlin hat. Nicht Merkel, nicht Flüchtlinge, nicht Gutmenschen, sondern nur der Fahrer selbst. Der Beitrag wird schnell verbreitet (z.B. bei der von mir sehr geschätzten „Hogesa„) und schon am nächsten Morgen ist die Reichweite riesig. Klar, die Fakten betrachtend und rein logisch vorgehend kann man zu diesem Schluss kommen: Nur der Mörder hat gemordet. Es ist auch eine angenehme Erkenntnis. Der Schuldige ist bereits gefasst. Sonst trägt keiner Schuld. Wir müssen uns nicht weiter über Flüchtlinge und die sich daraus ergebenden Realitäten unterhalten. Wir können weiter über „mehr Sicherheit“ diskutieren, wenn wir Überwachung meinen. Wir können weiter mit der profitorientierten Politik in Afrika und dem Nahen Osten weitermachen. Alles super. Game over.

Es ist so ein wenig wie in dem Beispiel vom Frosch im Wassertopf: Setzt man einen Frosch ins Wasser und erhöht langsam die Temperatur, springt der Frosch nie raus und wird langsam lebendig gekocht. Wirft man einen Frosch in heißes Wasser, springt er sofort wieder raus. Ich frage mich, ob wir nicht schon längst langsam gar gekocht werden. Ich will jetzt hier keinen Aluhut aufziehen, aber das Ganze hat schon etwas von einer Expositionsstrategie, wie sie z.B. in der Psychologie sehr erfolgreich eingesetzt wird, um Menschen an Dinge zu gewöhnen, die ihnen Panik verursachen.

Das erste Opfer ist immer der gesunde Menschenverstand. Danach kommt dann das, was wir heute gerne mit #Postfaktisch beschreiben. Das gilt nicht nur für unseren Umgang mit dem Terror. Es ist allgegenwärtig. Klima, Rohstoffe, Vermögen, Soziales, Asyl – überall haben wir uns vom gesunden Menschenverstand und – noch schlimmer – von der Fähigkeit zu differenzieren verabschiedet. Wir sind Pippi Langstrumpf und machen uns die Welt widdewidde wie sie uns gefällt.

Vielleicht ist das ein neuer Kniff der Evolution? Nachdem wir durch Beseitigung vieler Gefahren durch die moderne Zivilisation nicht mehr besonders schlau und findig sein müssen, um zu überleben, hat die Evolution nun vielleicht die Rahmenbedingungen geändert, um auf lange Sicht die positive Weiterentwicklung zu gewährleisten?! Die Evolution hat einen langen Atem, wie jeder weiß. Was passiert, wenn wir so weitermachen? Der entscheidende Punkt ist: Es wird keine Lösung der Probleme geben. Am Ende hat jeder, egal ob links, rechts, oben, unten und in jeglicher Farbe, „irgendwie“ Recht. Es geht mir selbst ja auch so. Ich bin für Asyl (links), für konsequentes Abschieben von Straftätern (rechts) – aber nur bei bestimmten Straftaten (Mitte). So geht das bei fast allen Fragen. Und jetzt?

Als erstes müssen wir uns davon verabschieden, dass es eine einfache Lösung für „Alles“ gibt. Wir haben schon Mühe in Kausalketten zu denken, aber unsere Gesellschaft ist ein komplexes Kausalnetzwerk. Es gibt eine riesige Anzahl von Ereignissen, die miteinander zusammenhängen. Unser Wusch, mit bezahlbarem Benzin zu unserer Liebsten zu fahren, hängt genauso mit den Toten in Berlin zusammen wie mit dem Typ, dem wir in der Fußgängerzone erlauben einen radikalen Islam zu predigen, oder einer Bundesregierung, die permanent beruhigen will. Insofern ist das Posting von ruthe „Wer Schuld ist“ falsch. Die Liste der Schuldigen ist endlos. Und wir stehen irgendwie mit drauf. Und weil das eben so kompliziert ist, verlagern wir uns auf einfache, manchmal postfaktische Sichtweisen. Dann ist die Welt wieder in Ordnung. Irgendwann führen aber die ungelösten Probleme unweigerlich zum totalen Zusammenbruch des Systems, in dem wir leben – was übrigens eine typische Lösung der Evolution wäre, wenn man in einer Sackgasse steckt. Am Ende bleiben nur die Stärksten, Schlauesten und Findigsten übrig. Ich hoffe sehr, dass dieser Prozess mir und meinen Kindern erspart bleibt.

Wie löst die Evolution Probleme sonst noch? Durch geschicktes Arbeiten in Regelkreisen. Einfaches Beispiel: Eine Population aus Jägern und Beutetieren hält sich gegenseitig im Gleichgewicht in einer bestimmten Fläche. Wird von den Jägern zu viel gefressen, wird das Futter knapp und es gibt weniger Nachwuchs. Und umgekehrt. In Wirklichkeit ist es natürlich viel komplexer. Die Menge an Futter für die Beute spielt auch eine wichtige Rolle für die Jäger, das Wetter und vieles andere mehr. Es ist ein komplexes System und die „Natur“ geht sehr differenziert vor, um alles im Gleichgewicht zu halten. Da war es wieder, das seltsame Wort: Differenzieren. Was bedeutet dieses Verb eigentlich?

Die Definition aus dem Duden ist schick, aber man könnte auch sagen, es hat etwas mit genauer hinsehen zu tun. Ein wichtiger Aspekt von „differenzieren“ ist es, auf Verallgemeinerungen zu verzichten. Wir Alle wehren uns dauernd gegen Verallgemeinerungen – auch Klischees genannt. Alle Männer gehen fremd. Alle Frauen heiraten, um versorgt zu sein. Sowas hat jeder von uns schon mal gehört und gleich gesagt „Es gibt aber auch Ausnahmen“ – und sich selbst damit gemeint. Auch in der Partnerschaft gibt es das: „Nie bringst Du den Müll raus“ oder „Immer hast Du Migräne, wenn ich Sex will“. Erfahrene Menschen vermeiden deshalb tunlichst alle Verallgemeinerungen bei Streit in der Beziehung. Es führt sonst (fast) jedes Mal zur Eskalation. Was wir im „Kleinen“ so gut beachten, ignorieren wir im „Großen“ völlig. Wir differenzieren einfach nicht mehr. Die „wasauchimmer“ sind Schuld. Immer.

Was wäre die Alternative? Nicht an Rädern drehen (oder fordern, dass daran gedreht wird) bevor klar wird, wie sie den Regelkreis beeinflussen. Von Fakten leiten lassen. Eine Erhöhung der Überwachung hat bisher noch zu keiner höheren Sicherheit geführt. Funktioniert hat gut ausgebildete und in ausreichender Anzahl vorhandene bürgernahe(!) Polizei und ein guter sozialer Zusammenhalt (Menschen die z.B. in Paris Passanten von der Straße in die Wohnung holten) und Zivilcourage (siehe Berlin). Das wäre ein guter Punkt für Maßnahmen. Auch müssen wir unterscheiden zwischen Symptom und Ursache. Es ist völlig klar, dass wir die Symptome des Terrors bekämpfen müssen – soweit das überhaupt möglich ist – aber totale Sicherheit wird es NIE geben. Noch nicht mal auf einem Weihnachtsmarkt. Wenn wir den Terror zurückdrängen wollen, wird es aber ohne das Anpacken der Ursachen nicht gehen. Das Profilbild wegen Aleppo zu ändern reicht eben nicht.

Jetzt sind wir nun mal nicht Bundeskanzler, Innenminister oder US Präsident. Was bleibt uns also übrig? Ein guter Anfang wäre es, wenn wir uns nicht verarschen lassen und weiterhin versuchen, unseren gesunden Menschenverstand zu benutzen. Immer aufmerksam werden, wenn „Alle“ (oft auch unausgesprochen) in einem Satz vorkommt. Wir könnten auch aufeinander aufpassen – würde sogar super zum bevorstehenden Fest der Liebe passen. Auch hier gilt wieder: Der gesunde Menschenverstand zeigt uns eigentlich, wo die Grenze zwischen Bespitzeln und aufeinander Aufpassen liegt. Traut euch das ruhig mal zu. Zusammenhalt ist die mit Abstand effektivste und beste Waffe gegen Terror.

Peace

Euer Christian

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Protege Innocetem

Manchmal reicht eine einzige Bemerkung und man muss leider zugeben, dass man bisher auf einem Auge blind war. Ich bin, wenn mir ein Thema am Herzen liegt, leicht zu begeistern. Ich beleuchte es dann von allen Seiten, verschlinge alles, was es zum Thema zu lesen gibt, versuche Leute kennen zu lernen, die Experten oder Insider sind und denke viel nach. Wie jeder Mensch habe ich mein eigenes ethisches Grundgerüst, an dem sich dann meine Meinung ausrichtet und orientiert. Außerdem vertrete ich auch gerne diesen Standpunkt – weil ich ihn eben für richtig halte. Nicht zuletzt deshalb gibt es diesen Blog. Ein Blog ist nicht aufdringlich. Keiner muss ihn lesen, aber wer will, der kann. Ich finde, ein guter Weg um mit seiner eigenen Meinung umzugehen.

Wer sich die Mühe gemacht hat hier einige Artikel zu lesen, merkt schnell, welche Themen mir wichtig sind. Auch der Titel zeigt es schon: „Repariert Deutschland“. Ich denke, dass unsere Gesellschaft mehrere ernsthafte Defekte aufweist, sich aber, mit ein wenig Achtsamkeit, Einsicht und richtigen Entscheidungen, wieder reparieren lässt. Pathetisch ausgedrückt könnte man auch sagen ich will irgendwie dazu beitragen, dass die Welt etwas besser wird.

In Zeiten wie diesen glaube ich fest daran, dass Hass und Engstirnigkeit keine Lösung sind und schon gar keine schnelle. In meinem letzten Artikel (Der neue Simplicissimus) habe ich z.B. viel über das Thema Asyl geschrieben und warum Grundrechte nicht limitierbar, z.B. durch Obergrenzen für Aslybewerber, sein sollten. Das sehe ich auch heute noch so. Vergessen habe ich, dass es aber auch noch andere Grund- bzw. Menschenrechte gibt. Genau genommen habe ich es nicht wirklich vergessen, es schien mir nur so offensichtlich, dass ich dachte es müsste nicht extra erwähnt werden. Zum Glück kenne ich Menschen mit einem sehr gesunden Blick auf die Welt und deren Realitäten (Danke Achim!). Bei einem kleinen Chat über den letzten Beitrag war ich sehr verwundert, warum A. dachte, ich räume dem Asylrecht einen höheren Stellenwert als dem Schutz der Unschuldigen vor Verbrechen ein. Ob wir eine Bringschuld gegenüber den Asylanten haben und wir dabei sind, wesentliche Werte unserer Gesellschaft und Lebensart kampflos aufzugeben. Offensichtlich kann man den Eindruck bekommen, ich wäre auf einem Auge blind. Keineswegs. Richtig ist aber, ich habe es nie formuliert. Es steht nichts davon in meinem Blog.

Also habe ich angefangen, darüber nachzudenken. Als konkreten Aufhänger wollte ich mir die Frage nach den „kriminellen“ Asylbewerbern vornehmen und wie sehr Migranten unsere Gesellschaft verändern und in welchen Punkten. Dazu habe ich dann Statistiken gewälzt, Presseberichte gelesen, News der Polizei abonniert und auch mit vielen Menschen gesprochen. Das Ergebnis: kriminelle Asylanten sind eher in der Minderheit und hochgerechnet nicht mehr oder weniger kriminell als der Rest von Deutschland. Entwarnung… eben nicht. Ich bin nur wieder in die gleiche Falle getappt. Der Grund: ich habe schlichtweg die falsche Frage gestellt. Genau genommen war das Ergebnis abzusehen. Handlungen sind größtenteils das Ergebnis von Prägungen durch Umwelt und sozialem Kontext. Sie sind nicht – gesetzmäßig – an den Geburtsort gebunden. Unter entsprechenden Bedingungen ist die Wahrscheinlichkeit für ähnliche Handlungsmuster für alle Menschen ungefähr gleich groß. Eine Trivialität. Das hilft uns in unserer Lage nicht.

Aufgefallen ist mir bei den Recherchen aber eins: Es ist ganz schön schwierig geworden, Ansprechpartner für politisch unkorrekte Fragestellungen (Wie viele Straftaten sind in Mainz von Asylbewerbern verübt worden? Wie oft sind spezielle Delikte (z.B. Belästigung von Frauen im öffentlichen Raum) von Asylbewerbern begangen worden?) zu finden. Es gibt die Zahlen oftmals einfach nicht – bzw. es wurde keine Auswertung gemacht. Selbstverständlich wird bei jedem aufgenommenen Protokoll vermerkt, woher der Beschuldigte kommt. Verwendet werden die Daten aber größtenteils nicht. Außerdem ist es außerordentlich schwer, von einem Polizisten verwertbare Aussagen über Erfahrungen aus seinem täglichen Berufsfeld zu diesem Thema zu bekommen. Erzählen würden die meisten gerne – zitieren geht aber nicht, weil es dann Ärger auf der Dienststelle gibt.

Der Witz ist: Die Anzahl ist schlicht nicht relevant. Die Art und Weise, wie wir damit umgehen, schon. Ich verstehe, dass die „Politik“ gerne einen (rechten) Flächenbrand vermeiden möchte und die selektive Wahrnehmung tut im Moment ein übriges. Wir fühlen uns von kriminellen Asylanten umzingelt, auch wenn es nur eine kleine Minderheit mit Fehlverhalten ist. Aber was hilft es zu sagen: „Es ist nur eine Minderheit?“ Das Gefühl des Ausgeliefertseins der Menschen und vor allem der Opfer von Straftaten wird damit nicht verändert. Es mag politisch nicht korrekt sein, aber es kann doch keinen verwundern, wenn junge Männer mit relativ kruden und patriarchalischem Weltbild, in dem Frauen eher zweitklassig sind und Religion über allem steht – und damit als Männer sowieso Sonderrechte genießen – zum Teil in unserer offenen Gesellschaft Regelverstöße begehen. Dieses Problem tot zu schweigen oder auszublenden ist in Wahrheit der echte Rassismus: ungleiche Behandlung von Individuen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit. Klar, alles hat Ursachen, keiner wird so geboren, wir sind am Elend in der (3.) Welt Mitschuld. Alles richtig. Aber die Menschenrechte – wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Würde – gelten eben auch für uns. Oder besser: für Alle.

Über mögliche Konzepte den Ursachen der Flüchtlingswelle zu begegnen habe ich das letzte Mal geschrieben. Was ich versäumt habe, ist klar zu machen dass es damit nicht getan ist. Wir müssen auch für unseren Status Quo kämpfen. Ich meine damit nicht, dass wir weniger teilen sollen, weniger Empathie empfinden sollen oder uns einmauern müssen. Ich meine damit, dass wir die Errungenschaften unserer Gesellschaft auch aktiv verteidigen müssen. Ein Straftäter kann nicht anders behandelt werden nur, weil er Asylant ist. Es sollte auch keine Ausnahmeregelungen für Religionen geben. Die Gleichberechtigung der Frau ist ein wesentlicher Stützpfeiler, genauso, dass Gesetze vom Staat erlassen und von der Polizei durchgesetzt werden. Keine Scharia, aber auch kein Hodscha, der die Streitigkeiten im Kleinen als Religionsgelehrter schlichtet. Völlig egal, ob das kulturell verankert ist oder gut funktioniert. Keine Ausnahmen in Grundsatzfragen. Oder, wie ein Freund es passend auf den Punkt brachte: Stand your ground! (Achtung: Ich meine damit nicht die Freigabe jeglicher unverhältnismäßigen Mittel wie z.B. in den USA). Wir müssen unsere Errungenschaften verteidigen. Ich finde es schade, dass wir Mitgefühl und aktive Hilfe für viele Asylanten bieten, aber das Grenzen aufzeigen völlig einem rechten Pöbel überlassen. Es fängt im Kleinen an. Die Gruppe von 2-3 Männern, die eine Frau in der Bahn belästigt, wird irgendwann zur Meute vor dem Kölner Dom – wenn es keine Gegenbewegung gibt. Dem Opfer sind die Ursachen (Traumatisierung, Elend, mangelnde Bildung usw.) völlig egal – und zwar mit Recht. Wenn ich im Dschungel unterwegs bin und auf einen Löwen treffe, verstehe ich zwar, warum er mich wahrscheinlich fressen will. Aber das heißt ja nicht das ich es auch erlaube! Das Anerkennen der Ursachen und die entsprechenden Maßnahmen zum Abstellen dieser Probleme haben aber keine höhere Priorität als andere Menschenrechte. Die Unschuldigen müssen geschützt werden. Überall.

Leider haben wir es versäumt, die Polizei auf diese Herausforderung sinnvoll vorzubereiten. Als ich Kind war, gab es selbst im kleinsten Dorf den Dorfpolizisten. Den kannte jeder und er kannte seine Pappenheimer auch genau. Es gab nicht für alles ein Formular, aber immer Zeit für ein klärendes Gespräch. Heute ist die zuständige Polizeistation 15 min mit dem Auto entfernt und in den meisten Fällen dauert es ewig bis überhaupt jemand kommt. Sowas wie Präsenz gibt es eigentlich gar nicht mehr. Falls man einen Polizisten sieht, trägt der Schutzweste und Handschuhe, und nicht mehr ein nettes Synthetikhemd wie der Dorfpolizist von nebenan. Keine Frage: Das ist nicht die Schuld der Polizisten und traurig genug, dass ein solcher Schutz heute notwendig ist. Das ist die Folge der Politik, die wir viel zu lange toleriert haben. Wir retten die Banken und sparen das Gemeinwesen kaputt. Staatliche Aufgaben sind lästig und teuer und Dividende ist doch viel wichtiger. Es ist Hip, gegen die Polizei zu sein und ACAB darf nahezu ungestraft jeder überall rumschreien.

Ändern können wir die Verhältnisse nicht ohne die Hilfe der Polizei (und Justiz), aber die Polizei braucht unsere Hilfe. Keine Bürgerwehr oder ein lynchender Mob. Aber Zivilcourage, das Achten auf den Anderen und ein partnerschaftliches Umgehen mit der Polizei. Jeder von uns verfügt über genug gesunden Menschenverstand, um zwischen Stasiüberwachung/Lynchmob und verantwortungsvollem Bürger zu unterscheiden. Wenn wir zwielichtige Gestalten im Vorgarten des Nachbarn sehen, rufen wir die Polizei, aber wir jagen sie nicht mit Baseballschlägern durchs Ort. Wir haben ein tolles Notwehr– und Nothilfegesetz, das eine sehr breite Palette von Maßnahmen (auch Gewalt, wenn nötig) erlaubt. Wir brauchen kein „Mehr“ an Überwachung, neue Gesetze, etc. Wir brauchen gesunden Menschenverstand gepaart mit Zivilcourage. Wir brauchen eine leistungsfähige Polizei und Justiz – aber eben als Partner der Bürger. Es ist grotesk, dass gerade diese beiden originären Aufgaben eines Staates bei uns so schlecht behandelt wurden. Schlechte Bezahlung der Polizei, mangelhafte Ausstattung, Unterbesetzung, Stellenabbau… oder monatelange Wartezeit bis zu einem Gerichtsverfahren. Wahnsinn!!! Wir haben einen Zustand zugelassen, in dem der Staat seine eigentlichen Aufgaben nicht mehr wirklich wahrnehmen kann: den Schutz seiner Bürger. Sowas lässt sich nicht über Nacht wieder reparieren. Ein Politikwechsel muss her, wird aber dauern. In der Zwischenzeit müssen wir selbst mithelfen. Lasst uns unser Herz UND Gehirn benutzen! Einem Asylbewerber, der sich gut benimmt, mit Freundlichkeit und Empathie zu begegnen, ist genauso wichtig wie eine klare Haltung bei Regelverstößen! Und zwar hauptsächlich im Alltag und bei den kleinen Reibereien. Wenn ich toleriere, dass einer Frau aus religiösen Gründen nicht die Hand geschüttelt wird, ist das der erste Schritt zu einer Entwicklung, die dann letztlich auf dem Kölner Domplatz an Silvester endet. Wehret den Anfängen – aber eben mit Augenmaß. Der verweigerte Händedruck muss nicht zur Haftstrafe führen, aber zu klaren (sozialen) Konsequenzen. Oftmals reicht da schon ein deutliches verbales Statement. Bei einer Straftat reicht aber „nur Reden“ nicht mehr aus. Priorität hat hier nicht Verständnis, sondern Opferschutz – am besten bevor es Opfer gibt. Dazu brauchen wir keine Überwachungskameras, sondern Zivilcourage. Lasst uns – im Wortsinne – Zusammenhalten!

Danke fürs Lesen.

Peace – Euer Christian

 

 

 

 

 

 

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Der neue Simplicissimus

(Frei nach Motiven von Jakob Christoffel von Grimmelshausen)

Quelle: Wikipedia
Quelle: Wikipedia

Eigentlich sollte jetzt hier ein Text über das Thema Pokémon Go (Die Rückkehr der Schnitzeljagd) entstehen. Sauber recherchiert (bin mittlerweile Level 6!) und mit Thesen, die ganz bestimmt wieder heftige Kritik ausgelöst hätten. Letztlich gibt es den Artikel aber doch nicht. Die Ereignisse der letzten Wochen sind einfach zu dominant, um sie zu ignorieren – auch wenn ich das lieber täte. Außerdem hatte ich mehrfach die Chance zu Gesprächen (oder Chats) mit Menschen, die extrem unterschiedliche Standpunkte, teilweise auch sehr kontrovers zu meinen eigenen, vertreten. Solche Gespräche sind meistens anstrengend, aber auch immer lehrreich. Interessanterweise hatten nahezu alle Standpunkte eins gemeinsam: Eine schnelle und einfache Universallösung sollte her. Flüchtlingsproblem, Terrorproblem, Naziproblem, Wirtschaftsproblem, Soziale-Gerechtigkeit-Problem, Burn-Out-Problem, usw… die Liste könnte endlos so weitergehen.

Leute: das wird Nix! Da wir an den meisten Themenbereichen mehr als 20 Jahre (kaputt-) gebaut haben, wird sich keine Lösung – schon gar keine einfache – an einem Nachmittag finden lassen. Werfen wir doch Mal einen Blick auf das aktuelle 9-Punkte Lösungsprogramm zum Thema Terror der Bundesregierung:

  • Frühwarnsystem
    Das System soll Infos aus Asylverfahren oder Integrationsbemühungen über eine mögliche Radikalisierung liefern. Die meinen die chronisch unterbesetzten Ämter und Institutionen, die es bisher noch nicht mal schaffen alle Basisdaten der Asylbewerber zu erfassen. Hört sich nach einen „super“ Plan an. Und außerdem: Was ist denn ein Zeichen von Radikalisierung? Bart? Oder erwarten wir offen getragene Waffen? Attentäter und Extremisten sind gestört, aber nicht notwendigerweise dumm.
  • Personal
    Na das ist auch geil, nachdem wir jahrelang die Polizei und Justiz kaputt gespart haben. Wo sollen denn die neuen Kräfte über Nacht herkommen? Oder stecken wir jetzt einfach jedem aus der Bürgerwehr ´ne Plakette an? Oder vielleicht Bewaffnung der Politessen?
  • Information
    Bessere Überwachung des Internets. Na dann viel Erfolg, Leute! Nicht nur, dass es immer findige Nerds geben wird, die einen wasserdichten Kanal bauen können. Wir überwachen dann einfach jeden. Klar, wer nix zu verbergen hat, muss sich ja vor Offenlegung nicht fürchten. Kann man ja sehen wie vorbildlich der Staat da vorangeht und die TTIP Unterlagen schön geheim hält. Für mehr Details einfach mal dieses tolle Video ansehen.
  • Bundeswehr
    Reden wir von der Bundeswehr, die jahrelang kaputtgespart wurde und kaum noch in der Lage ist, ihre eigentlichen Aufgaben (Landesverteidigung und ggf. humanitäre Einsätze im Ausland im Rahmen eines UN Mandats) zu erfüllen? Gab es nicht einen guten Grund, warum die Armee nicht im Inland eingesetzt werden darf und warum das im Grundgesetz steht? Und wieso jetzt in die Bundeswehr für diesen Zweck investieren, statt direkt in die Polizei? Hat mal jemand dran gedacht wie unterschiedlich die Ausbildung eines Soldaten und Polizisten ist – und vor allem warum!?
  • Forschung/Prävention
    Na das fällt uns ja früh ein und außerdem: Wäre es nicht selbstverständlich, dass man nach den Ursachen forscht? Hat nur ein Punkt gefehlt, damit es am Ende mindestens 9 sind? Genauso gut hätten wir dann ja auch „Verfolgung von Straftätern“ oder „Umsetzung der bestehenden Gesetze“ aufnehmen können. Ach Stopp! Haben wir ja auch. Siehe nächster Punkt.
  • Rückführung
    Hä? Die Durchsetzung geltenden Rechts ist ein neuer Punkt auf der Aktionsliste? Da spar ich mir den Atem…
  • Europa
    Da geht es nicht um ein solidarisches Europa, also faires Aufteilen der Lasten usw., sondern um den Datentausch. Hatten wir ja eigentlich schon unter Punkt „Information“. Naja, wiederholen soll ja das Lernergebnis verbessern. Europa zeichnet sich im Wesentlichen durch den Abbau von „Handelshemmnissen“ aus – man könnte auch sagen „Förderung von Konzerninteressen“ und endlose Debatten. Bis die sich auf einen Standard des Datentauschs geeinigt haben, der dann ausgeschrieben, umgesetzt, debuggt, neukonzipiert und in einer 10-jährigen Übergangsfrist eingeführt wird, haben wir längst keine Sorgen mehr.
  • Waffenrecht
    Alter… ich hab kein Problem damit, dass Sportschützen und Jäger streng überprüft werden, z.B. auf Alkoholismus oder bekannte Gewaltdelikte, aber 1) ILLEGALE Waffen sind das Problem. Da hilft eben per Definition kein Gesetz und 2) selbst mit legalen Waffen kann ich Amok laufen. Machete per Amazon bestellen? Dank Amazon Prime schon morgen da.
  • Nachrichtendienste
    Gibt’s hier ein Echo? Kam „Information“ nicht irgendwie schon mehrfach vor?
Quelle: Wikipedia
Quelle: Wikipedia

Da sich das Geschrei ja im Wesentlichen auf „Wir müssen mehr wissen/überwachen“ konzentriert und deswegen nach der Aushöhlung des Grundgesetzes gegiert wird (Vorratsdatenspeicherung, Überwachung Internet bzw. Telekomunikationsdaten, etc) hier mal eine kleine Geschichte: So bis ca. 1990 gab es einen Deutschen Staat, genannt DDR, der Weltmeister im Überwachen war. Aufgezeichnet wurde quasi alles: Telefonate, Briefverkehr samt Inhalt, sogar die Gespräche der netten Nachbarn im Hausflur. Selbst die NSA war ein wenig neidisch. Trotz der Überwachung auf Championsleague-Niveau gelang es immer wieder findigen „Republikflüchtigen“, ihre Pläne umzusetzen und „rüberzumachen“. Was sagt uns das? Es wird IMMER Lücken geben. Und im Falle von Terrorismus reicht es ja schon wenn 0,0001% unerkannt bleiben und sich dann mit 50 unschuldigen Opfern in die Luft sprengen. Da gibt es KEINE Sicherheit. Das sind Märchen. Schauen wir doch mal zurück in den „Deutschen Herbst“. Damals „kämpfte“ die RAF mit 6 gegen 60 Millionen gegen die Bundesrepublik. Die Fahndung war damals extrem. Verkehrsüberwachung mit Nummernschilderfassung, Schleppnetz- und Rasterfahndung, Steckbriefe überall. Vieles davon ist heute noch die Basis von Polizeiarbeit. Es war nur eine Handvoll Krimineller. Sogar deren Gesichter waren bekannt. Trotzdem dauerte es Jahre, bis man sie verhaften konnte. Viele blieben noch jahrzehntelang unerkannt. Damals wurde der Begriff der Stadtguerilla geprägt, also der des urbanen Partisanenkämpfers. Diese Art der Kriegsführung ist mit den klassischen Gegenmaßnahmen nicht beizukommen. Fragt doch mal General Batista, der auch versucht hat, Guerillakämpfer mit der Staatsarmee zu bekämpfen. Um entsprechenden Bemerkungen gleich vorzubeugen: Ich halte den IS NICHT für Freiheitskämpfer, sondern für bekloppte Arschgeigen. Es geht hier nur um den Vergleich von Gegenstrategien.

Genauso „gerne“ höre ich die andere Seite, die mehr Bewaffnung fordert, um dann Amokläufer direkt „ausschalten“ zu können. Kleiner Blick nach Amerika. Dort hat jeder Vollhorst ´ne Waffe und in den meisten Bundesstaaten darf er die auch mit rumtragen. Wie oft gab es jetzt bei den diversen Amokläufen in den USA den Fall, bei dem ein „Passant“ die Sache geregelt hat? Genau. Nie. Dafür haben wir eine Menge Tote, die versehentlich mit einer Spielzeugwaffe oder einem Handy oder Feuerzeug erwischt wurden, bei denen der Ordnungshüter dachte, es wäre eventuell gefährlich. Schlecht, aber irgendwie auch die logische Folge, wenn man Polizisten zwingt, in einem Land Dienst zu tun, bei denen jeder einen Ballermann haben darf. Da wäre ich wahrscheinlich auch lieber vorsichtig statt tot.

Also…. was machen wir jetzt mit dem Scherbenhaufen? Erst mal ansehen, was wir da zerdeppert haben! Die Ursachen des Terrors liegen in unserer Außen- bzw. Wirtschaftspolitik (was ja ohnehin das Gleiche ist). Das muss sich ändern. Sofort! Damit beenden wir den Terror noch nicht, aber wir generieren wenigstens nicht permanent mehr Nachschub. Besinnen wir uns wieder auf das, was im Grundgesetz steht. Asyl ist Menschenrecht. Wer vom Tod oder Verfolgung bedroht ist, darf zu uns kommen. Da es ein Menschenrecht ist, KANN es dafür auch keine Obergrenze geben. Sonst gäbe es ja auch Menschen 2. Klasse. Wir können aber sehr wohl entscheiden, auf wen das zutrifft. Und wir müssen auch nicht warten, wer auf dem Weg hierher ertrinkt oder wen die Türkei so zu uns rüber schickt. Wir könnten in den Krisenländern direkt eine Auswahl vornehmen (z.B. mit Hilfe der UN) und die Leute dann sicher hierherbringen (da darf die Bundeswehr auch gerne mal fliegen). Damit können wir sicherstellen, dass es wirklich humanitäre Gründe sind und nicht einfach nur die Stärksten, Findigsten oder auch Rücksichtslosen, die es am Ende hierher schaffen. Wer dann hier ankommt, ist nicht nur ordentlich erfasst, man kann dann die Integration auch viel besser steuern. Agieren statt reagieren oder Löcher flicken. Außerdem entfällt dann der Flüchtlingstreck. Auf die Art haben wir Asyl für Alle (die es laut Grundgesetz erhalten sollen) – ohne Obergrenze – aber auch ohne den totalen Kontrollverlust. Paradoxerweise wird das Asylrecht im Moment hauptsächlich vom Asylrecht bedroht. So wie es heute läuft, ist es schon greifbar, dass das Asylrecht bald stark verändert wird. Man muss mittlerweile aufgrund der Fehlleistungen der aktuellen Bundesregierung in gewissen Maße Dualist sein, wenn es um das Asylrecht geht. Deutschland braucht (noch lange) keine Obergrenze bei der Anzahl der Asylanten (über das Thema hatte ich in einem früheren Beitrag bereits geschrieben – deswegen hier keine Vertiefung). Wir brauchen aber dringend ein tragfähiges Konzept zur Prüfung, Verteilung und Integration. Weil es da eben nicht läuft, wird eine „Bremsung“ der Asylrate unvermeidlich sein. Ich will keine festgeschriebene Obergrenze, aber wir müssen der handhabbaren Menge an Anträgen Rechnung tragen. Es wäre ein Pyrrhussieg, die Obergrenze zu verhindern, um dann zu sehen wie die Folgen das ganze Asylrecht per Aufstand hinwegfegt.

Bleiben noch die Terrorristen, die hier in Deutschland „entstehen“. Es sind die abgehängten, perspektivlosen Jungen. Für jeden, den wir festnehmen, entstehen 2 neue, die ihren Freund, Vetter, Schwager, Bruder usw. rächen wollen. Auch das wird sich nicht schnell lösen lassen. Perspektiven bieten braucht Zeit! Sozialarbeit ist in Deutschland nicht gerade eine Wachstumsbranche. Armut und prekäre Verhältnisse, während man im TV das schöne Leben sieht, leider schon. Auch das wird Jahre dauern, bis sich etwas spürbar bessert – falls wir damit überhaupt anfangen. Bei der zu erwartenden Altersarmut ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis es auch amoklaufende Rentner gibt. Es ist kein Jugendproblem, sondern ein soziales.

Quelle: Amazon.de
Quelle: Amazon.de

Und was die Überwachung angeht? Ich habe mal den guten von Clausewitz und einige seiner Kollegen gelesen. Eine Guerilla – und nichts anderes sind Terroristen im militärischen Sinne – kann man nur durch 2 Mittel effektiv bekämpfen. Abschneiden des Nachschubs (siehe oben) und Unterwanderung. Was war unser BND so eifrig bei dem Einschleusen von V-Männern in die Nazi Szene. Teilweise so eifrig, dass man die Szene erst selbst geschaffen hat. Falls man daraus etwas gelernt hat, könnte man das ja auch mal bei religiös motiviertem Terrorismus versuchen. Das wäre in der Tat von allen die schnellste Maßnahme. Und bärtige junge Männer, die die ganze Gewalt Scheiße finden, hätten wir doch auch genug.

Schnelle Lösungen gibt’s nicht. Es wird noch viele Tote geben und unsere Gesellschaft wird sich stark verändern. Einige meiner Freunde und Bekannten fassen das ganz simpel zusammen: „Wir sind im Arsch“. Leider fehlen mir die Argumente, das tatsächlich und nachhaltig zu entkräften.

 

Trotzdem: Abfinden will ich mich damit nicht. Es gibt Lösungen. Sie sind anstrengend, langwierig und es wird viele Rückschläge geben. Trotzdem sollten wir uns nicht auf den Rücken legen und auszählen lassen. Oder um es mit den Worten von William Shakespeare (in einer leicht modifizierten Fassung – Sorry Willy) zu sagen:

Quelle: Wikipedia
Quelle: Wikipedia

„Noch einmal stürmt, noch einmal, lieben Freunde!
Im Frieden kann so wohl nichts einen Mann
Als Milde und bescheidne Stille kleiden,
Doch bläst des Krieges Wetter euch ins Ohr,
Dann ahmt dem Tiger nach in seinem Tun;
Spannt eure Sehnen, ruft das Blut herbei.
Dann leiht dem Auge einen Schreckensblick
Und laßt es durch des Hauptes Bollwerk spähn
Wie ehernes Geschütz,wie ein zerfreßner Fels
Weit vorhängt über seinen schwachen Fuß,
Vom wilden, wüsten Ozean umwühlt.
Nun knirscht die Zähne, schwellt die Nüstern auf,
Den Atem hemmt, spannt alle Lebensgeister
Zur vollen Höh!“

Einen Anlauf die Welt zu Verbessern machen wir noch, oder? Wer macht mit?

Peace! Euer Christian

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Zu Besuch bei Sarrazin

„Thilo Sarrazin030709“ von Nina Gerlach Nina - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Thilo_Sarrazin030709.jpg#/media/File:Thilo_Sarrazin030709.jpg
„Thilo Sarrazin030709“ von Nina Gerlach Nina – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Thilo_Sarrazin030709.jpg#/media/File:Thilo_Sarrazin030709.jpg

Wenn man so auf YouTube unterwegs ist, trifft man häufig auf alte Bekannte. Kenner wissen, dass das nicht zufällig passiert, sondern an der Tatsache liegt, das besuchte Videos thematisch analysiert werden. Aber darüber will ich gar nicht schreiben.

Auf jeden Fall bin ich auf ein Video gestoßen, das Thilo Sarrazin bei einer Rede am 6. Oktober 2015 bei der vom Freiheitlichen Bildungsinstitut und dem Liberalen Klub organisierten Veranstaltung „Die neue Völkerwanderung – Risiken und Gefahren“ zeigt.

Nach „Deutschland schafft sich ab“ hatte ich lange nichts mehr gehört und war entsprechend Neugierig. Das Video dauert rund eine Stunde und ist in der von Sarrazin typischen uninspirierten Vortragsweise gehalten und startet mit Statistiken und Zahlen, eigentlich eine Kurzzusammenfassung von „Deutschland schafft sich ab“.

Nach wie vor jagen mir die Zahlen eine Heidenangst ein. Insbesondere deshalb, weil sich bei eigener Recherche die meisten Zahlen als Richtig erwiesen haben. Geburtenrate von Migrantenfamilien, Veränderung des durchschnittlichen Bildungsniveaus, Erhöhung der Migrantenzahlen durch Familiennachzug usw. Alles harte Kost für jemanden wie mich, der auf das Recht auf Asyl pocht. Klar ist, das Migration und Asyl zwei verschiedene Dinge sind… oder waren. Mittlerweile bin ich nicht mehr so sicher, ob die Mehrzahl der Asylsuchenden das Land wieder verlässt. Wohl eher nicht. Eine Zahl von Sarrazin war besonders interessant: Er sagte, dass ca. 80% der Weltbevölkerung mit Hilfe des Deutschen Asylrechts und einem findigen Anwalt wohl einen Asylantenstatus bei uns erwirken könnten. Lassen wir mal beiseite ob die Zahl wirklich stimmt – es bringt das Bild in den richtigen Fokus. Wir leben in einer Wohlstandsoase.

Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa
Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa

Sarrazin bemüht als Lösung das Beispiel Nordsee und Holland. Das Land liegt unter dem Meeresspiegel und man hat nur 2 Möglichkeiten die Bürger zu beschützen: Die Nordsee absenken (unmöglich) oder Deiche bauen (wird seit 1000 Jahren so gemacht). Folglich plädiert er für eine entsprechende Absicherung der EU-Grenzen. Um fair zu bleiben: er ist nicht gegen Asyl, er will nur aus sozialen und Sicherheitsgründen den Zuzug beschränken. Auch er erkennt das das eigentliche Problem eben die Gründe für die steigende Flut an Asylanten eben in den Herkunftsländern liegt. Allerdings behauptet er, dass solche Probleme nicht von außen gelöst werden können – und genau hier teilt sich dann unser Weltbild. Klar, im nahen Osten gibt es seit 2.000 Jahren Krieg, aber die aktuellen Flüchtlingsprobleme lassen sich ziemlich eindeutig auf die Interventionen der westlichen Hemisphäre (ich sag mal nicht USA) zurück führen. Genauso ist die Tatsache, das in wenigen Generationen viele Millionen Menschen südlich der Sahra den Weg nach Norden antreten werden um zu überleben, nicht in Afrika begründet liegt sondern in der Ausbeutung durch den Westen und das gewisse Religionsgemeinschaften Geburtenkontrolle ablehnen.

Eine Einführung von restriktiven Grenzkontrollen wird zumindest übergangsmäßig kaum zu verhindern sein. Eine Lösung des Problems ist es nicht. Egal wieviel Zaun wir verlegen, wieviel Mauern wir bauen, irgendwann werden wir uns entscheiden müssen ob wir auch Schießen wollen um Flüchtlinge zurück zu drängen. Bisher ermorden wir sie ja lieber passiv durch unterlassene Hilfeleistung und empören uns dann an den Bildern ertrunkener Kinder.

Abschottung kann auch deshalb nicht die Lösung sein, weil wir schlichtweg in 3-4 Generationen von innen und außen „Überrannt“ werden. Was tun sprach Zeus? Die Götter sind besoffen, der Olymp ist vollgekotzt!

Der Schlüssel liegt vielleicht in einer radikalen Neuausrichtung der Außenpolitik (kein Herbeiführen von Regimewechseln nur um wirtschaftl. Interessen zu genügen, keine Unterstützung von Radikalen – auch wenn sie gemeinsame Gegner bekämpfen) und eine wirksame Entwicklungshilfe bzw. Beendigung durch systematische Zerstörung der lokalen Märkte in Entwicklungsländern durch Weltbank & Co.

Bleibt das Problem im eigenen Zuhause. Egal wie man es dreht und wendet, Sarrazin hat Recht wenn er sagt, dass Zuzug aus Asien im Schnitt das Bildungsniveau in Deutschland hebt während es durch Zuzug aus dem nahen Osten eher sinkt. Klare Ansage: Es liegt nicht an der Intelligenz dieser Menschen, sondern schlicht an deren bisherigen Zugang zu Bildung. Trotzdem ist das Problem real. Bisher ergeben hohe Geburtenrate bei geringem Bildungsstand eine fatale Mischung. Außerdem ist allein schon die Ballung von hohen Zahlen von Asylanten in „Lagern“ allein schon eine Dummheit. Unter solchen Zuständen muß die Hölle zwangsläufig losbrechen. Ganz egal wer im Lager oder Bewacher ist. Wer will kann gerne mal hier schauen: Standford Experiment.

Mir ist klar, dass es eine logistische Herkulesaufgabe ist den Ansturm zu verteilen und zu verwalten, aber waren wir als Deutsche nicht mal als Dichter und Denker bekannt? Unsere Ingenieure und Erfinder sind weltberühmt. Da werden wir wohl auch das lösen können, oder? Wieso nicht ein Verteilungsschlüssel nach Bevölkerungsgröße. Wieso bekommt jedes 2.000 Personen Dorf nicht 1-2 Familien zugeteilt statt ein 2.000 Personendorf ein ganzes Lager während andere Landstriche völlig „Asyl“-frei sind? Und warum geben wir nicht jedem der einen Menschen oder eine Familie aufnimmt jeden Monat die Summe die uns auch die Lager pro Person kosten würden? Erfahrungsgemäß sind Menschen findiger wenn es auch Geld zu verdienen gibt – das gute Gewissen gibt es dann gratis dazu.

Momentan verdienen nur die Geier, die ihre Bruchbuden zu überhöhten Preisen an die Gemeinde vermieten um sich selber zu sanieren. Meistens die gleichen, die dann gegen die hohen Ansprüche der Asylbewerber wettern. Unerträglich wird es, wenn Menschen die selber nur vom Sozialstaat leben oder selbst Wirtschaftsflüchtlinge durch Auflösung der DDR waren jetzt auf Abschottung der Grenzen pochen.

Wenn wir die Asylsuchenden nicht in Lagern isolieren, sondern in den Gemeinden (in kleiner Zahl!) einbetten wird auch das Problem der kulturellen Unterschiede erträglicher sein. Gleichberechtigung der Frau, Demokratie, Trennung von Kirch und Staat, das alles wird einfacher wenn es Teil des täglichen Lebens ist. Das kann ein Lager, auch mit Unterricht in Staatsbürgerkunde, niemals leisten. Und warum kann ein Asylant nicht in der Gemeinde helfen? Durch zusammen Arbeiten geht die Integration wie von selbst.

Danke für’s Lesen.

Peace Christian