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Bauanleitung für einen Nazi

Normalerweise ist es recht schwierig, eine (fast) ausgestorbene Art wieder in ein bestehendes Biosystem einzugliedern. Es gab ja gute Gründe, warum die Art ehemals am Aussterben war, und der heutige Lebensraum enthält immer weniger Nischen, in denen „seltene“ Arten gedeihen können.

Wieso haben es also die Nazis geschafft, sich innerhalb weniger Jahre nicht nur deutlich zu vermehren, sondern jetzt auch munter dabei sind, ihre Nische zu verlassen und in manchen Gegenden sogar zur dominierenden Art zu werden? Wieso gibt es auf einmal so viele davon? Ich glaube, weil es so einfach ist, welche zu bauen.

Gehen wir das Ganze akademisch an, und überlegen, wie man am besten eine Nazipopulation aufbauen würde. Es gab ja nach dem Krieg erst mal gar keine mehr – die meisten behaupteten sogar, es habe nie welche gegeben. Scheinbar entwickelten einige Exemplare ein perfektes Mimikry und tarnten sich, um in der breiten Masse zu verschwinden. Auf diese Weise konnte sich eine Restpopulation erhalten, die jedoch sehr darauf bedacht war, unerkannt zu bleiben. Man kann zwar drüber streiten, aber nehmen wir einmal an, dass es auch bei den restlichen Nazis eine IQ-Normalverteilung nach der Gaußschen Glockenkurve gab. Es waren also so ca. 2 – 15% schlaue Köpfe (je nachdem, wie man das definiert) dabei. Trotzdem waberten die Nazis eher im Untergrund und diejenigen, die man so sehen konnte, waren offensichtlich nicht Teil der geistigen Elite.

Dann gab es erstmal Wirtschaftsaufschwung (im Westen) und sozialistisches Paradies (im Osten) und bis zum Fall der Mauer waren Nazis eher so ein Schmeißfliegenproblem.

Aber dann ging es los. Als Anfang 1990 die Mauer fiel, war erst mal Goldgräbern angesagt. Es war sozusagen ein Großexperiment mit einem (bzw. zwei) Ländern. Den Menschen im Osten wurden blühende Landschaften versprochen, die im Gegenzug dann auch brav den Versprecher wählten.  Einige schafften den Schnellkurs in Kapitalismus, für viele – wenn nicht die meisten – wurde es aber schnell eng. Diverse VEBs, einst sichere Arbeitsplätze, wurden geschlossen. Alles was irgendwie Wert hatte, schnell verscherbelt und viele Top-Manager aus dem Osten gab es auch nicht. Dafür schaffte es Eine aus dem Osten einige Jahre später ganz an die Spitze, das war es dann aber auch schon fast. Denn noch bevor man sich über tolle renovierte Fassaden und Glasfaserkabel in Leipzig und Co so richtig freuen konnte, kam die Wirtschaftskrise angekrochen. Die erwischte dann auch ganz Deutschland und wir erlebten viele Segnungen der modernen Sozialdemokratie wie Hartz IV, geringfügige Beschäftigungen, (Hunger-) Mindestlohn, weitere Rüstungsexporte, Bankenrettung, etc. Das wäre einen eigenen Blogbeitrag wert, aber das ist ja heute nicht das Thema. Zurück blieb eine Bevölkerung, die im Wesentlichen eins gelernt hatte: die fetten Jahre sind vorbei. Es ging nicht mehr um Wachstum oder Absicherung des Wohlstands. Es ging für die meisten eher darum, möglichst nicht abzurutschen. Und um die Stimmung endgültig zu killen, konnte man gleichzeitig einen beispiellosen Zugewinn bei einzelnen Privatvermögen erkennen. Weil man „den Aktionären“ verpflichtet war, entließ man halt Arbeiter, und die Dividende landete dann bei einer Handvoll Menschen. Dazu gesellte sich das unbestimmte Gefühl, dass man von der Politik prinzipiell verarscht wird. Kaum ein Versprechen wird gehalten, es geht nur noch um den Machterhalt und Probleme wurden schon lange nicht mehr gelöst. Damit waren die wichtigsten Bauteile für einen Nazi schon vorhanden: Angst, im eigenen Leben erhebliche Abstriche – wenn nicht Abstürze – hinnehmen zu müssen und das fehlende Vertrauen in die Menschen, die das Land eigentlich lenken sollten.

Das führte auch dazu, dass es plötzlich Parteien gab, die erkannt hatten, dass es eine große Menge unzufriedener Menschen in Deutschland gab. Am Anfang ungeschickt und schnell als rechte Eingreiftruppe erkennbar, folgte eine Professionalisierung. Klar, so aalglatt, wie die anderen Parteien ist die AfD (noch) nicht, aber das wird schon noch. Es reichte schon, dass man bei der AfD berechtigte Fragen stellte. Keiner merkte, dass die Antworten der AfD darauf scheiße waren. Es war auch egal, denn man wurde als besorgter Bürger endlich einmal gehört. Das gab genug Endorphine, dass man über die Folgen der vorgeschlagenen Antwort gar nicht erst groß nachdachte.

Bis hierhin war die Lage zwar brenzlig, aber beherrschbar. Eine funktionierende Gesellschaft kann ohne weiteres 5% AfD aushalten. Doch dann begann die Entrüstungskampagne, quasi zeitgleich mit dem Flüchtlingsstrom. Das sieht man in der Biologie übrigens häufig, dass Änderungen im Ökosystem plötzlich Nischenarten ins Rampenlicht und an den Anfang der Nahrungskette katapultieren. Wie war das bei uns?

Wenn man mit den Leistungen der Regierung nicht zufrieden war und ähnliche Fragen stellte wie die AfD, wurde man sofort eingemeindet. Dabei hat die Politik wesentlich beigetragen. Jedes Mal, wenn die AfD zu Wort kam, gab es Entrüstung. Alle, die nicht explizit gegen die AfD und deren Fragen waren, wurden zur AfD gerechnet. Ich denke, in der Zeit haben bei der AfD häufig die Sektkorken geknallt. Sie bekamen quasi Sympathisanten zwangsweise zugeteilt. Das führte dazu, dass zwei ziemlich simple und gut erforschte psychologische Effekte anliefen. Da ja immer mehr Menschen plötzlich – wegen ihrer Fragen und Kritik – Nazis bzw. AfD waren, fand man sich in einer immer größer werdenden Gemeinschaft wieder. Dies bewirkte einen „social Proof“, wie es im Marketing so schön heißt. Im Deutschen würde man es „soziale Bewährtheit“ nennen. Es ist eins der mächtigsten Instrumente, wenn man Menschen etwas andrehen will. Deswegen ist ja immer auch ein Fußballstar auf unserem Waschmittel usw. Wenn wir es genauso machen, wie die Leitperson oder eine große Menge anderer, sind wir bei unseren Entscheidungen sicherer. Wenn ich jetzt also irgendwo wohne, vielleicht in Chemnitz, und rund um mich rum werden meine Nachbarn alle Nazi genannt, obwohl die ja eigentlich ganz vernünftige Fragen stellen, habe ich gute Chancen mich davon anstecken zu lassen. Besonders, wenn mir die gleichen Probleme auf den Nägeln brennen. Der zweite Effekt war der „In Group / Outgroup“ Effekt. Auch er ist von enormer Stärke und beeinflusst sogar unbewusst Menschen, die sich eigentlich für schlau halten. Kurz gesagt bedeutet er, wenn ich mit meiner Gruppe auf eine andere (feindliche) Gruppe treffe, verstärkt sich automatisch der Zusammenhalt, man wird unkritischer gegen die eigenen Entscheidungen und lässt gerne mal den Zweck die Mittel heiligen. Nichts lässt eine Gruppe mehr zusammen rücken als das Auftauchen eines Gegners. Läßt sich wunderbar bei den vielen Demos und Gegendemos beobachten. Keine Seite hält sich noch an die Ideale, die man eigentlich vertreten wollte. Hauptsache man hat keinen Fußbreit nachgelassen. Glückliches Schulterklopfen auf beiden Seiten. Lustigerweise könnten auch beide Parteien einfach auf die Regierung sauer sein. Das wär dann vielleicht tatsächlich produktiv.

Als Katalysator in diesen Prozessen eignete sich die Flüchtlingskrise hervorragend. Klar, wir hätten in Deutschland (und weltweit) andere Probleme, die deutlich dringender sind, aber keins, dass sich so schön verbocken lässt. Unglücklicherweise sind dabei die Medien in einer Art Sippenhaft gelandet, aber das ist wohl die Konsequenz, wenn man als meistgekaufte Zeitung im Land eben keinen Qualitätsjournalismus hat und einfach vorne drauf druckt, was die höchste Auflage verspricht.

Was passierte z.B. in Chemnitz zum Thema Flüchtlinge im Jahr 2015? Ziemlich viel. Es gab in ganz Sachsen nämlich nur eine Erstaufnahmeeinrichtung. Diese Einrichtung nahm dann 70.000 Flüchtlinge auf. Wohlgemerkt bei einer Einwohnerzahl von ca. 246.000. Man könnte auch sagen, in dieser Zeit waren fast 30% der Bewohner Flüchtlinge. Mal so zum Vergleich: Mainz hat so ungefähr die gleiche Einwohnerzahl wie Chemnitz. Was wäre hier wohl passiert?

In der gleichen Zeit wurde in Sachsen erheblich am Personalbestand der Polizei eingespart. Nicht nur, dass die Stellen der erfahrenen Pensionäre nicht mehr aufgefüllt wurden, es gab auch für die jungen kaum bzw. keine Weiterbildung und – ganz wichtig – politische Bildungskurse. Dazu kommt, dass man dauernd nur aus den (Kriminalitäts-)Statistiken das vorliest, was einem in den Kram passt und unbequeme Inhalte einfach verschweigt. Ganz verheerend besonders bei Menschen, die es gewohnt sind, sich mit den Hintergründen einer Nachricht zu beschäftigen. So vergrault man die gut Informierten und Engagierten zuerst.

Man sieht, die Hauptzutaten sind schnell ausgemacht. Man bringt eine Bevölkerung dazu, sich vor der eigenen Zukunft zu fürchten, lässt sie erleben, wie sich Zukunfts- u. Lebenspläne in Luft auflösen, zerstört die (eigene) Glaubwürdigkeit als Politiker und setzt das Ganze dann unter Dampf, indem man noch eine Überlast an Integrationsbedarf abwirft, ohne die Region darauf vorzubereiten bzw. zu unterstützen. Damit es nicht nur ein Strohfeuer bleibt, bringt man mit einer Konkurrenzgruppe noch genügend Potential zum Abarbeiten an den Start…. und schon bauen sich weitere Nazis ganz von selbst. Schade das man die Geschäftsidee nicht zu Geld machen kann. Ein echter Selbstläufer.

Bevor mir jetzt jemand den Aluhut schickt: Ich glaube nicht, dass es eine Verschwörung ist, von dunklen Gestalten in dunklen Hinterzimmern ausgedacht. Ich glaube vielmehr, das ist das Resultat, wenn man genügend unfähigen Menschen zu viel Macht gibt. Es entwickelt einfach eine Eigendynamik.

Was ist die Moral von der Geschichte? Wenn ihr wollt, dass es weniger Nazis gibt, müsst ihr dafür sorgen, dass die wichtigsten Baumaterialien dafür fehlen. Die bestehenden Nazis anzuschreien, wird gar nichts ändern. Wie man sieht, wird die Zahl derer, die wir an den rechten Rand verloren haben eher größer statt kleiner. Trotz (oder wegen) totaler Ausgrenzung. Die Menschen, die mit Hitlergruß und „Töten“-Rufen durch die Stadt ziehen, wird man kaum noch erreichen können. Die Ganzen, die stumm mitlaufen, schon. Vielleicht wäre es wirkungsvoller, wenn man auf der „Gegenseite“ nicht schreiend und laut ausgrenzen würde. Wie wäre es mit einer komplett stillen Mahnwache und einem Plakat: „Kommt zurück. Wir brauchen Euch“? So ist es nämlich. Wir brauchen jede Stimme, wenn wir eine Regierungsbeteiligung der AfD verhindern wollen. Und noch viel mehr Stimmen, wenn wir endlich einmal eine Regierung haben wollen, die sich auch um die Menschen statt um Mehrheiten kümmert.

Danke für’s Lesen. Seid lieb!

Euer Christian

#keinPolitiker

 

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Real existierende Demokratie

Vielleicht geht es nur mir so, aber der aktuelle politische Diskurs verwirrt mich total. Das waren noch Zeiten, als man mit einer kurzen Richtungsangabe (links oder rechts) relativ eindeutig klar machen konnte, wo man politisch stand. In meinen jungen Jahren war „Links“ eben SPD und „Rechts“ eben der Rest – mehr oder weniger. Mittlerweile ist das Ganze nicht mehr so einfach. In den letzten Monaten bin ich wegen gleicher Kommentare jeweils gleichzeitig von „Linken“ als „Rechts“ bezeichnet worden und vice Versa. Nachdem ich jetzt sowohl von der „Merkel muss weg“-Demo als auch von den Gegendemo eingeladen wurde, gehe ich davon aus, dass ich irgendwo in der Mitte stehe. Genau da, wollte ich eigentlich überhaupt nicht landen (siehe mein Facebook Post vom März).

Leider – oder vielleicht zum Glück  – war ich am Tag der Demo an der Ostsee und konnte bei Meeresrauschen in Ruhe nachdenken. Mittlerweile haben mich aber einige Videos und Postings zu dem Event erreicht. Ich kann nur sagen: Echt jetzt? WTF ist mit euch los?

Ich kenne keinen der Organisatoren – soweit ich das beurteilen kann – persönlich. Ich habe aber die Einladung des Events auf Facebook interessiert gelesen. Mit dem Slogan „Merkel muss weg“ kann ich mich in jedem Fall identifizieren, auch wenn die Liste der Politiker, die ich in den Ruhestand wünsche, sicher deutlich länger ist. Es wurde aber auch folgendes gepostet:

— Aus der Einladung zur Merkel muss weg – Demo —

Bitte Folgendes beachten:

1) Wir demonstrieren friedlich, von uns geht keinerlei Gewalt aus

2) Um unser Tun ernst zu nehmen, ist der Konsum von Alkohol während der gesamten Demo untersagt. Stark alkoholisierte Personen werden vom Ort der Kundgebung durch unser Sicherheitspersonal entfernt

3) Nicht erlaubt:
  - Parteilogos oder Logos irgendwelcher Organisationen
  - Aufrufe zur Gewalt
  - Dinge, die an die Zeit von 1933-1945 anknüpfen.
  - Alkohol
  - gefährliche Gegenstände (Waffen, Anscheinswaffen, Messer etc)
  - Vermummung

3) Den Anweisungen unserer Ordner ist jederzeit Folge zu leisten

4) Für den Zusammenhang von Fremden erstellte Videos und unserer durchgeführten Demo und der Bereitstellung auf diversen sozialen Netzwerken übernehmen wir Veranstalter keine Haftung

5) Wir erwarten gutes Betragen. Selbst dann, wenn man uns anpöbelt. Da stehen wir drüber!

6) Zur eigenen Sicherheit empfehlen wir unauffällige Kleidung und An- und Abreise in Kleingruppen

Um uns von gewaltbereiten anderen Veranstaltungen und Gruppen deutlich zu distanzieren, bitten wir sehr, das zu respektieren!

---Zitat Ende ----

Hier kann ich nur sagen: Chapeau. So stelle ich mir eine demokratische Demo vor. Außerdem war die Demo wohl auch ordentlich angemeldet und genehmigt.

Schauen wir uns mal die Einladung zur Gegendemo an:

— Aus der Einladung zur Gegendemo  —

RECHTE MONTAGSDEMOS JETZT AUCH IN MAINZ?! Nicht mit uns!

Seit Mitte März trifft sich montags um 19:00 Uhr in Mainz eine wachsende Gruppe unter dem Motto "Merkel muss weg". Die politischen Inhalte lassen sich kaum von denen der PEGIDA-Aufmärsche unterscheiden.

Rechte Bürger*innen und AfD-Mitglieder stehen hier zusammen mit bekannten Neonazis. Gemeinsam versuchen sie ihre menschenverachtenden Positionen auf die Straße zu bringen. Dazu gehören vor allem islamfeindliche Propaganda, sowie die Forderung nach der "Festung Europa", was den Bruch mit zahlreichen Menschenrechten bedeutet.

DIESES GEDANKENGUT KÖNNEN UND WERDEN WIR NICHT TOLERIEREN.

Schon 2015 versuchten PEGIDA-Anhänger*innen in Frankfurt a.M. mit ihren rechtspopulistischen Parolen in der Region Fuß zu fassen. Jedoch stellten sich ihnen tausende couragierte Menschen ausdauernd und letztlich erfolgreich in den Weg.

Lasst uns ihnen auch in Mainz laut, entschlossen und mit vielfältigem Protest entgegentreten. Zeigen wir gemeinsam, dass hier für ihren schlecht versteckten Rassismus kein Platz ist.

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Denkt euch Plakate, Banner, Sprüche aus. Kommt vorbei, gerne mit allem was Krach macht, ob Musik (live?), Trillerpfeifen oder mit Kochtöpfen.

--- Zitat Ende ---

Zunächst sind Demo und Gegendemo ein Zeichen von Meinungsbildung in einer Demokratie. Mich verwirren hier nur einige Details. Die Gegendemo sieht sich offensichtlich als „die Guten“. Außerdem scheint es wichtig zu sein, die Demokratie gegen intolerante, faschistische Menschen zu verteidigen. Außerdem wird hier klar gesagt, dass „Rechte Bürger*innen und AfD-Mitglieder … zusammen mit bekannten Neonazis“ an der Demo teilnehmen. Hier wurde ich dann schon stutzig. Die Einladung liest sich nun mal überhaupt nicht „Rechts“. Was dann in der Praxis an Publikum auftaucht ist eine andere Frage, aber eben vom Veranstalter nur bedingt zu beeinflussen – was natürlich auch für alle anderen Demos gilt. Auch in Hamburg zum G9 Gipfel waren nicht alle Steinewerfer oder Brandstifter. Dann gibt es noch ein großes „Wir“ – das ausgewähltes Gedankengut nicht tolerieren will. „Wir“ stört mich immer prinzipiell, da es mich – oft ungewünscht – mit einschließt. Am meisten verwundert hat mich aber der letzte Satz: Es geht darum, mobil zu machen und dafür zu sorgen, dass die angemeldete Demo der Merkel-Gegner möglichst nachhaltig gestört wird. Also im Klartext: Wir schützen die tolerante, offene Gesellschaft, Meinungsfreiheit und unser demokratisches Grundverständnis, indem wir eine legale, angemeldete Demonstration von Andersdenkenden in Grund und Boden stören wollen. Merkt ihr selber, oder? Spätestens jetzt ist mir nicht mehr so ganz klar, wer hier die Feinde der Demokratie sind.

Das Stören hat, soweit ich das auf den Videos sehen konnte, ziemlich gut funktioniert. Ich sehe eine Gruppe von ca. 40 – 50 Menschen, die ruhig und zurückhaltend – man könnte es auch als eingeschüchtert interpretieren – in einer abgesperrten und mit Polizei umstellten Zone auf dem Marktplatz steht, während draußen ein vielfaches an Menschen die Atmosphäre eines aufgebrachten Mobs verbreitet. Von den Merkel Gegnern kommen ein paar Transparente ins Bild, an denen ich eigentlich nichts Rechtsradikales finden kann – möglicherweise gab es aber solche Inhalte auch. Was ich gesehen habe, lautet z.B. „Bekenntnis zu Deutschland – Gewaltfrei für unsere Kinder“ oder ein Plakat gegen Wohnungsnot, Armut im Alter, Zerstörung von Kultur und Kinderarmut und natürlich gab es auch ein „Kandel ist überall“-Plakat. Von den Reden konnte ich auf den Videos leider kaum etwas verstehen. Eine der wenigen Passagen, die ich (hoffentlich richtig) hören konnte, war ein Wutrede gegen die Tatsache, dass es kaum Gelder gibt, um den in Nordafrika gestrandeten Flüchtlingen bei ihren menschenunwürdigen Lebensumständen zu helfen. Klingt mir nicht gerade wie ein Hitler Doppelgänger muss ich sagen.

Der Witz ist: Es sollte völlig egal sein, welche Meinung hier vertreten wird, solange alle Auflagen und Gesetze beachtet werden. Es ist im Prinzip genau das Gleiche wie mit der AfD (und ich setze damit die „Merkel muss weg – Demo“ keineswegs mit AfD Gedankengut gleich). In einer Demokratie hat man andere Meinungen auszuhalten! Selbst wenn sie – wie im Falle der AfD – völlig abwegig sind. „Muslime raus“ fordern oder die AfD verbieten wollen sind nun mal 2 Seiten des gleichen Radiergummis. Oder um es mit Voltaire zu sagen:

„ Das Recht zu sagen und zu drucken, was wir denken, ist eines jeden freien Menschen Recht, welches man ihm nicht nehmen könnte, ohne die widerwärtigste Tyrannei auszuüben. Dieses Vorrecht kommt uns von Grund auf zu; und es wäre abscheulich, dass jene, bei denen die Souveränität (das Volk ist in einer Demokratie der Souverän) liegt, ihre Meinung nicht schriftlich sagen dürften.“

Ehrlich gesagt machen mir die tumben und dummen Rechten auch keine Angst. Ich fürchte mich eher davor, dass mal ein Schlauer kommt. Viel gefährlicher finde ich es, dass es scheinbar wieder gelungen ist, die Bürger beschäftigt zu halten, indem man einfach – mehr oder weniger wahllos, wie das Resultat in Mainz zeigt – links und rechts als In- u. Outgroup definiert. Echte gesellschaftliche Fragen spielen kaum eine Rolle mehr. Es zählt nur noch die Lagerzugehörigkeit und selbstverständlich hält sich jeder selbst für „Gut“ und die anderen sind „Schlecht“.

Lassen wir die Frage, warum es überhaupt möglich war, dass eine angemeldete Demo in der Art eingekesselt und gestört werden konnte, mal außer acht. Warum hat man die Reden nicht angehört und dann darauf reagiert (mit Worten), statt einfach alles niederzupfeifen?

Überhaupt finde ich, dass die AfD Wähler zu Unrecht verunglimpft werden. Sie haben eine legale Partei gewählt. Der Grund wird für die meisten der Wähler nicht Protest, sondern schlicht Zukunftsangst gewesen sein. Angst ist zwar ein schlechter Ratgeber, aber eben auch menschlich. Die Ursache dieser Angst haben die Politiker zu verantworten, die sich jetzt über die AfD ereifern und als Lieblingsbeschäftigung AfD Bashing betreiben – statt sich um die Lösung der eigentlichen Probleme zu kümmern.

Dass die Menschen Angst haben, ist eher ein Zeichen einer richtigen Einschätzung der Lage als nur Hysterie. Ein Großteil der Bürger fühlt sich von der Politik nicht vertreten. Wie man seit spätestens 2016 weiß, zu Recht. Damals wurde nämlich von der Regierung (Arbeitsministerin Andrea – auf die Fresse – Nahles) eine Studie am Institut für Sozialwissenschaften der Uni Osnabrück in Auftrag gegeben. Die Forschungsfrage war – etwas vereinfacht: „Versucht die Bundesregierung das Wohl und die Wünsche der einfachen Bürger im Auge zu behalten?“ Das Ganze sollte als Basis für den 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung dienen. Insbesondere sollte auch die Rolle der Reichen bei der Gesetzgebung untersucht werden. Es waren namenhafte Forscher die die „Responsivität“ (Wird der Volkeswille tatsächlich durch entsprechende Handlungen und Gesetzgebung umgesetzt) der deutschen Politik untersuchten. Der ganze Report hat mehr als 60 Seiten. Kurz zusammengefasst lautet die Antwort: Nein. Analysiert wurden mehr als 250 Sachfragen aus dem Zeitraum 1998 bis 2015 auf der Basis von ARD-Deutschlandtrend als Meinungsumfrage. Also: Offizieller Auftrag der Bundesregierung, unabhängige qualifizierte Forscher, unabhängige großflächige Meinungsumfragen als Baseline. Solide Forschung könnte man sagen. Besonders schlau war, zusätzlich zur Meinung der befragten Bürger auch noch deren Vermögensstatus zu erfassen. Damit war es möglich, die Volksmeinung auch nach „Gehaltsgruppen“ aufzusplitten. Die Auswertung zeigte immer das gleiche Muster: In allen Fragen wurde in der Gesetzgebung letztlich die Wünsche der Einkommensstärksten umgesetzt, während die Wünsche der Einkommensschwächeren meistens diametral entgegengesetzt waren. Egal, ob es um den Abbau der Staatsverschuldung, das Rentenniveau, Bundeswehr in Afghanistan oder Hartz IV ging. Die Regierung folgte immer dem Wunsch der Wohlhabenden.

Kein Wunder, dass man es da als normaler Bürger mit der Angst bekommt und dann – leider AfD – wählt, was besonders fatal ist, da die AfD unter dem Deckmantel des Patriotismus ein reine Klientelpolitik für die Reichen macht.

Quelle: Wikipedia

Falls Sie sich jetzt wundern, warum Sie von dem Report nichts gehört haben: Er hat es nicht in den offiziellen Armutsbericht geschafft. Erst wurde von mehr als 60 Seiten auf ca. 18 Seiten gekürzt und als es dann im Oktober 2016 im Bundeskanzleramt – Frau Merkel läßt grüßen – zur Debatte kam, wurde einfach gestrichen was das Zeug hält. Dankenswerterweise hatte der Verein Lobbycontrol im Frühjahr aber veröffentlicht, welche Passagen von Merkel entfernt worden waren. Leider erreichte das aber kaum die breite Öffentlichkeit. Besonders der in der Studie verwendete Begriff „Krise der Repräsentation“ wurde ausnahmslos getilgt. Selbst in der endgültigen Fassung des Armutsberichts von über 700 Seiten findet sich kein Hinweis mehr. Unnötig darauf hinzuweisen, dass die dazugehörige Debatte im Bundestag vor fast leerem Haus unmittelbar vor der Sommerpause stattfand. Andrea Nahles startete die Rede mit „Deutschland geht es gut“. Da braucht Merkel selbst gar nicht mehr aufzutreten.

Ich hätte noch viel zu dem Thema zu sagen, aber es soll ja ein Blogbeitrag und kein Buch werden. Ich kann in diesem Zusammenhang nur das Buch von Paul Schreyer „Die Angst der Eliten – Wer fürchtet die Demokratie?“ verweisen. Ein solide recherchiertes und mit Quellenangaben belegtes Buch, das viele interessante Zusammenhänge aufzeigt. Die knapp 200 Seiten haben für mich eine Vielzahl von Denkanstößen über unsere aktuelle Demokratie  geliefert.

Was können wir also aus den Ereignissen in Mainz lernen? Vielleicht, dass es in einer Demokratie tatsächlich für alle unter den gleichen Rahmenbedingungen möglich sein sollte, ihre politische Überzeugung zu äußern. Dass wir uns nicht im Streit um Richtungen und Lager entzweien lassen sollten, sondern gemeinsam im Diskurs – der auch gerne lebhaft und emotional sein darf – um Lösungen um die ECHTEN Probleme unserer Gesellschaft bemühen sollten. Am 09.04.2018 in Mainz auf dem Domplatz gab es nur einen Gewinner. Diejenigen, die verhindern wollen, dass sich etwas ändert. Es war ein makelloser Sieg. Eigene Akteure oder Argumente wurden nicht benötigt. Das beherrschte Volk blieb beim Kampf unter sich.

Danke für’s Lesen.

Peace – euer Christian

#keinPolitiker

 

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Der neue Simplicissimus

(Frei nach Motiven von Jakob Christoffel von Grimmelshausen)

Quelle: Wikipedia
Quelle: Wikipedia

Eigentlich sollte jetzt hier ein Text über das Thema Pokémon Go (Die Rückkehr der Schnitzeljagd) entstehen. Sauber recherchiert (bin mittlerweile Level 6!) und mit Thesen, die ganz bestimmt wieder heftige Kritik ausgelöst hätten. Letztlich gibt es den Artikel aber doch nicht. Die Ereignisse der letzten Wochen sind einfach zu dominant, um sie zu ignorieren – auch wenn ich das lieber täte. Außerdem hatte ich mehrfach die Chance zu Gesprächen (oder Chats) mit Menschen, die extrem unterschiedliche Standpunkte, teilweise auch sehr kontrovers zu meinen eigenen, vertreten. Solche Gespräche sind meistens anstrengend, aber auch immer lehrreich. Interessanterweise hatten nahezu alle Standpunkte eins gemeinsam: Eine schnelle und einfache Universallösung sollte her. Flüchtlingsproblem, Terrorproblem, Naziproblem, Wirtschaftsproblem, Soziale-Gerechtigkeit-Problem, Burn-Out-Problem, usw… die Liste könnte endlos so weitergehen.

Leute: das wird Nix! Da wir an den meisten Themenbereichen mehr als 20 Jahre (kaputt-) gebaut haben, wird sich keine Lösung – schon gar keine einfache – an einem Nachmittag finden lassen. Werfen wir doch Mal einen Blick auf das aktuelle 9-Punkte Lösungsprogramm zum Thema Terror der Bundesregierung:

  • Frühwarnsystem
    Das System soll Infos aus Asylverfahren oder Integrationsbemühungen über eine mögliche Radikalisierung liefern. Die meinen die chronisch unterbesetzten Ämter und Institutionen, die es bisher noch nicht mal schaffen alle Basisdaten der Asylbewerber zu erfassen. Hört sich nach einen „super“ Plan an. Und außerdem: Was ist denn ein Zeichen von Radikalisierung? Bart? Oder erwarten wir offen getragene Waffen? Attentäter und Extremisten sind gestört, aber nicht notwendigerweise dumm.
  • Personal
    Na das ist auch geil, nachdem wir jahrelang die Polizei und Justiz kaputt gespart haben. Wo sollen denn die neuen Kräfte über Nacht herkommen? Oder stecken wir jetzt einfach jedem aus der Bürgerwehr ´ne Plakette an? Oder vielleicht Bewaffnung der Politessen?
  • Information
    Bessere Überwachung des Internets. Na dann viel Erfolg, Leute! Nicht nur, dass es immer findige Nerds geben wird, die einen wasserdichten Kanal bauen können. Wir überwachen dann einfach jeden. Klar, wer nix zu verbergen hat, muss sich ja vor Offenlegung nicht fürchten. Kann man ja sehen wie vorbildlich der Staat da vorangeht und die TTIP Unterlagen schön geheim hält. Für mehr Details einfach mal dieses tolle Video ansehen.
  • Bundeswehr
    Reden wir von der Bundeswehr, die jahrelang kaputtgespart wurde und kaum noch in der Lage ist, ihre eigentlichen Aufgaben (Landesverteidigung und ggf. humanitäre Einsätze im Ausland im Rahmen eines UN Mandats) zu erfüllen? Gab es nicht einen guten Grund, warum die Armee nicht im Inland eingesetzt werden darf und warum das im Grundgesetz steht? Und wieso jetzt in die Bundeswehr für diesen Zweck investieren, statt direkt in die Polizei? Hat mal jemand dran gedacht wie unterschiedlich die Ausbildung eines Soldaten und Polizisten ist – und vor allem warum!?
  • Forschung/Prävention
    Na das fällt uns ja früh ein und außerdem: Wäre es nicht selbstverständlich, dass man nach den Ursachen forscht? Hat nur ein Punkt gefehlt, damit es am Ende mindestens 9 sind? Genauso gut hätten wir dann ja auch „Verfolgung von Straftätern“ oder „Umsetzung der bestehenden Gesetze“ aufnehmen können. Ach Stopp! Haben wir ja auch. Siehe nächster Punkt.
  • Rückführung
    Hä? Die Durchsetzung geltenden Rechts ist ein neuer Punkt auf der Aktionsliste? Da spar ich mir den Atem…
  • Europa
    Da geht es nicht um ein solidarisches Europa, also faires Aufteilen der Lasten usw., sondern um den Datentausch. Hatten wir ja eigentlich schon unter Punkt „Information“. Naja, wiederholen soll ja das Lernergebnis verbessern. Europa zeichnet sich im Wesentlichen durch den Abbau von „Handelshemmnissen“ aus – man könnte auch sagen „Förderung von Konzerninteressen“ und endlose Debatten. Bis die sich auf einen Standard des Datentauschs geeinigt haben, der dann ausgeschrieben, umgesetzt, debuggt, neukonzipiert und in einer 10-jährigen Übergangsfrist eingeführt wird, haben wir längst keine Sorgen mehr.
  • Waffenrecht
    Alter… ich hab kein Problem damit, dass Sportschützen und Jäger streng überprüft werden, z.B. auf Alkoholismus oder bekannte Gewaltdelikte, aber 1) ILLEGALE Waffen sind das Problem. Da hilft eben per Definition kein Gesetz und 2) selbst mit legalen Waffen kann ich Amok laufen. Machete per Amazon bestellen? Dank Amazon Prime schon morgen da.
  • Nachrichtendienste
    Gibt’s hier ein Echo? Kam „Information“ nicht irgendwie schon mehrfach vor?
Quelle: Wikipedia
Quelle: Wikipedia

Da sich das Geschrei ja im Wesentlichen auf „Wir müssen mehr wissen/überwachen“ konzentriert und deswegen nach der Aushöhlung des Grundgesetzes gegiert wird (Vorratsdatenspeicherung, Überwachung Internet bzw. Telekomunikationsdaten, etc) hier mal eine kleine Geschichte: So bis ca. 1990 gab es einen Deutschen Staat, genannt DDR, der Weltmeister im Überwachen war. Aufgezeichnet wurde quasi alles: Telefonate, Briefverkehr samt Inhalt, sogar die Gespräche der netten Nachbarn im Hausflur. Selbst die NSA war ein wenig neidisch. Trotz der Überwachung auf Championsleague-Niveau gelang es immer wieder findigen „Republikflüchtigen“, ihre Pläne umzusetzen und „rüberzumachen“. Was sagt uns das? Es wird IMMER Lücken geben. Und im Falle von Terrorismus reicht es ja schon wenn 0,0001% unerkannt bleiben und sich dann mit 50 unschuldigen Opfern in die Luft sprengen. Da gibt es KEINE Sicherheit. Das sind Märchen. Schauen wir doch mal zurück in den „Deutschen Herbst“. Damals „kämpfte“ die RAF mit 6 gegen 60 Millionen gegen die Bundesrepublik. Die Fahndung war damals extrem. Verkehrsüberwachung mit Nummernschilderfassung, Schleppnetz- und Rasterfahndung, Steckbriefe überall. Vieles davon ist heute noch die Basis von Polizeiarbeit. Es war nur eine Handvoll Krimineller. Sogar deren Gesichter waren bekannt. Trotzdem dauerte es Jahre, bis man sie verhaften konnte. Viele blieben noch jahrzehntelang unerkannt. Damals wurde der Begriff der Stadtguerilla geprägt, also der des urbanen Partisanenkämpfers. Diese Art der Kriegsführung ist mit den klassischen Gegenmaßnahmen nicht beizukommen. Fragt doch mal General Batista, der auch versucht hat, Guerillakämpfer mit der Staatsarmee zu bekämpfen. Um entsprechenden Bemerkungen gleich vorzubeugen: Ich halte den IS NICHT für Freiheitskämpfer, sondern für bekloppte Arschgeigen. Es geht hier nur um den Vergleich von Gegenstrategien.

Genauso „gerne“ höre ich die andere Seite, die mehr Bewaffnung fordert, um dann Amokläufer direkt „ausschalten“ zu können. Kleiner Blick nach Amerika. Dort hat jeder Vollhorst ´ne Waffe und in den meisten Bundesstaaten darf er die auch mit rumtragen. Wie oft gab es jetzt bei den diversen Amokläufen in den USA den Fall, bei dem ein „Passant“ die Sache geregelt hat? Genau. Nie. Dafür haben wir eine Menge Tote, die versehentlich mit einer Spielzeugwaffe oder einem Handy oder Feuerzeug erwischt wurden, bei denen der Ordnungshüter dachte, es wäre eventuell gefährlich. Schlecht, aber irgendwie auch die logische Folge, wenn man Polizisten zwingt, in einem Land Dienst zu tun, bei denen jeder einen Ballermann haben darf. Da wäre ich wahrscheinlich auch lieber vorsichtig statt tot.

Also…. was machen wir jetzt mit dem Scherbenhaufen? Erst mal ansehen, was wir da zerdeppert haben! Die Ursachen des Terrors liegen in unserer Außen- bzw. Wirtschaftspolitik (was ja ohnehin das Gleiche ist). Das muss sich ändern. Sofort! Damit beenden wir den Terror noch nicht, aber wir generieren wenigstens nicht permanent mehr Nachschub. Besinnen wir uns wieder auf das, was im Grundgesetz steht. Asyl ist Menschenrecht. Wer vom Tod oder Verfolgung bedroht ist, darf zu uns kommen. Da es ein Menschenrecht ist, KANN es dafür auch keine Obergrenze geben. Sonst gäbe es ja auch Menschen 2. Klasse. Wir können aber sehr wohl entscheiden, auf wen das zutrifft. Und wir müssen auch nicht warten, wer auf dem Weg hierher ertrinkt oder wen die Türkei so zu uns rüber schickt. Wir könnten in den Krisenländern direkt eine Auswahl vornehmen (z.B. mit Hilfe der UN) und die Leute dann sicher hierherbringen (da darf die Bundeswehr auch gerne mal fliegen). Damit können wir sicherstellen, dass es wirklich humanitäre Gründe sind und nicht einfach nur die Stärksten, Findigsten oder auch Rücksichtslosen, die es am Ende hierher schaffen. Wer dann hier ankommt, ist nicht nur ordentlich erfasst, man kann dann die Integration auch viel besser steuern. Agieren statt reagieren oder Löcher flicken. Außerdem entfällt dann der Flüchtlingstreck. Auf die Art haben wir Asyl für Alle (die es laut Grundgesetz erhalten sollen) – ohne Obergrenze – aber auch ohne den totalen Kontrollverlust. Paradoxerweise wird das Asylrecht im Moment hauptsächlich vom Asylrecht bedroht. So wie es heute läuft, ist es schon greifbar, dass das Asylrecht bald stark verändert wird. Man muss mittlerweile aufgrund der Fehlleistungen der aktuellen Bundesregierung in gewissen Maße Dualist sein, wenn es um das Asylrecht geht. Deutschland braucht (noch lange) keine Obergrenze bei der Anzahl der Asylanten (über das Thema hatte ich in einem früheren Beitrag bereits geschrieben – deswegen hier keine Vertiefung). Wir brauchen aber dringend ein tragfähiges Konzept zur Prüfung, Verteilung und Integration. Weil es da eben nicht läuft, wird eine „Bremsung“ der Asylrate unvermeidlich sein. Ich will keine festgeschriebene Obergrenze, aber wir müssen der handhabbaren Menge an Anträgen Rechnung tragen. Es wäre ein Pyrrhussieg, die Obergrenze zu verhindern, um dann zu sehen wie die Folgen das ganze Asylrecht per Aufstand hinwegfegt.

Bleiben noch die Terrorristen, die hier in Deutschland „entstehen“. Es sind die abgehängten, perspektivlosen Jungen. Für jeden, den wir festnehmen, entstehen 2 neue, die ihren Freund, Vetter, Schwager, Bruder usw. rächen wollen. Auch das wird sich nicht schnell lösen lassen. Perspektiven bieten braucht Zeit! Sozialarbeit ist in Deutschland nicht gerade eine Wachstumsbranche. Armut und prekäre Verhältnisse, während man im TV das schöne Leben sieht, leider schon. Auch das wird Jahre dauern, bis sich etwas spürbar bessert – falls wir damit überhaupt anfangen. Bei der zu erwartenden Altersarmut ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis es auch amoklaufende Rentner gibt. Es ist kein Jugendproblem, sondern ein soziales.

Quelle: Amazon.de
Quelle: Amazon.de

Und was die Überwachung angeht? Ich habe mal den guten von Clausewitz und einige seiner Kollegen gelesen. Eine Guerilla – und nichts anderes sind Terroristen im militärischen Sinne – kann man nur durch 2 Mittel effektiv bekämpfen. Abschneiden des Nachschubs (siehe oben) und Unterwanderung. Was war unser BND so eifrig bei dem Einschleusen von V-Männern in die Nazi Szene. Teilweise so eifrig, dass man die Szene erst selbst geschaffen hat. Falls man daraus etwas gelernt hat, könnte man das ja auch mal bei religiös motiviertem Terrorismus versuchen. Das wäre in der Tat von allen die schnellste Maßnahme. Und bärtige junge Männer, die die ganze Gewalt Scheiße finden, hätten wir doch auch genug.

Schnelle Lösungen gibt’s nicht. Es wird noch viele Tote geben und unsere Gesellschaft wird sich stark verändern. Einige meiner Freunde und Bekannten fassen das ganz simpel zusammen: „Wir sind im Arsch“. Leider fehlen mir die Argumente, das tatsächlich und nachhaltig zu entkräften.

 

Trotzdem: Abfinden will ich mich damit nicht. Es gibt Lösungen. Sie sind anstrengend, langwierig und es wird viele Rückschläge geben. Trotzdem sollten wir uns nicht auf den Rücken legen und auszählen lassen. Oder um es mit den Worten von William Shakespeare (in einer leicht modifizierten Fassung – Sorry Willy) zu sagen:

Quelle: Wikipedia
Quelle: Wikipedia

„Noch einmal stürmt, noch einmal, lieben Freunde!
Im Frieden kann so wohl nichts einen Mann
Als Milde und bescheidne Stille kleiden,
Doch bläst des Krieges Wetter euch ins Ohr,
Dann ahmt dem Tiger nach in seinem Tun;
Spannt eure Sehnen, ruft das Blut herbei.
Dann leiht dem Auge einen Schreckensblick
Und laßt es durch des Hauptes Bollwerk spähn
Wie ehernes Geschütz,wie ein zerfreßner Fels
Weit vorhängt über seinen schwachen Fuß,
Vom wilden, wüsten Ozean umwühlt.
Nun knirscht die Zähne, schwellt die Nüstern auf,
Den Atem hemmt, spannt alle Lebensgeister
Zur vollen Höh!“

Einen Anlauf die Welt zu Verbessern machen wir noch, oder? Wer macht mit?

Peace! Euer Christian