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Dann nennt mich halt Nazi….

Die Nazis von 1933 würden sich wahrscheinlich im Grab umdrehen, wenn sie hören würden, wer heutzutage alles Nazi genannt wird. Damals, also 1933, musste man (sich) schon einiges leisten, um wirklich als Nazi akzeptiert zu werden. Bei Juden Scheiben einwerfen, Behinderte anzeigen und deportieren, Kinder und Jugendliche zu Soldaten „heranformen“. Gauleiter wurde man nicht einfach so! Heute, so scheint es mir häufig, gibt es ja überall Nazis – quasi. Es reicht allerdings schon, wenn man nicht in der Karenzzeit von 30 Sekunden empört und unter Protest aufspringt, wenn jemand den Raum betritt, der in seiner Facebook-Freundesliste einen hat, der einen kennt, der wahrscheinlich AfD wählt. Harte Zeiten, kein Nazi zu sein. Die sind ja plötzlich überall.

Das Thema würde sich so gut für Satire eignen, wenn es nicht so traurig real wäre. Das „gute“ Deutschland steht geschlossen gegen Rechts – nur dass scheinbar bei einigen der Kompass kaputt ist. Da wird gegen Faschismus demonstriert und im gleichen Atemzug politisch anders Denkenden das Demonstrationsrecht abgesprochen. Da ist man gegen Gewalt, verhaut aber ganz gerne mal Menschen, die die „falsche“ Parteiflagge tragen. Insgesamt scheinen die demokratischen Ideale im Moment eher eine Frage der Windrichtung. Ich konnte es gar nicht glauben, als mir bei einer Demo in Mainz erklärt wurde, es gäbe kein Recht auf Nazipropaganda. Leider falsch! Gibt es sehr wohl in einer Demokratie. Solange das nicht im Widerspruch zu den gültigen Gesetzen steht, darf jeder beliebig Dummheiten von sich geben. Auch wenn mir das nicht passt. Wobei… bei „Kein Recht auf Dummheit“ – egal von welcher Himmelsrichtung – wäre ich sofort dabei. Faschismus beginnt genau da, wo ich mir Sonderrechte einräume, weil ich ja „der Gute“ bin.

Wir buhen, pfeifen und grenzen aus, was das Zeug hält, wenn die AfD & Co. irgendwo erscheint. Im Bundestag sind sich die Parteien nur bei 2 Punkten einig: bei Diätenerhöhungen und dass die AfD Scheiße ist. Ich verstehe schon, dass man das Bedürfnis hat, gegen Rassismus und Fremdenhass etwas zu unternehmen. Allerdings sollte man von Zeit zu Zeit auch mal schauen, ob das bisherige Verhalten den gewünschten Effekt hatte. Was haben wir denn bisher erreicht, sagen wir in den letzten 3 – 4 Jahren? Konnten wir „die Bösen“ zurück drängen? Gibt es jetzt weniger fremdenfeindliche Parolen? Haben wir die Ursachen dafür wirkungsvoll bekämpft? Pustekuchen! Es wurde eher schlimmer als besser und ich darf gar nicht daran denken, wie die nächste Wahl wohl ausgeht.

Kein Mensch wird als Nazi geboren – nicht mal in Sachsen. Ich glaube auch, dass 95% der Menschen, die AfD wählen, weit davon entfernt sind, wirklich Nazi zu sein. Es mag nicht schlau sein, aber sie wählen die AfD aus Angst – nicht aus Hass. Und genau deshalb, machen wir es immer schlimmer und werden den Zulauf der rechten Parteien nicht mindern können. Statt diesen Menschen ihre Angst um Zukunft, wirtschaftlichen und sozialen Abstieg oder Sicherheit zu nehmen, kesseln wir sie lieber bei Demos ein, hetzen bei jeder Gelegenheit über sie und machen deutlich, dass sie „nicht zu Deutschland“ gehören. Jetzt mal ehrlich – das soll funktionieren? Zurückdrängen der Rechten durch Ausgrenzung? Lief ja die letzten Jahre super.

Wenn wir wollen, dass es weniger Rechte gibt, sind – so glaube ich – 2 Dinge elementar: Wir müssen wieder ehrlich sein und wir müssen diesen Menschen die Angst nehmen. Zum Glück – oder Unglück – sind diese beiden Punkte eng miteinander verknüpft.

Was meine ich mit „ehrlich sein“? Keine Sau glaubt noch einem Politiker. Wir werden permanent mit lustigen Statistiken berieselt, dass alles gut ist. Wer genauer hinsieht, stellt schnell fest, dass hier gerne mal Details ausgelassen werden. Mein Lieblingsbeispiel ist das Thema Kriminalität bei Zuwanderern bzw. Asylanten. Offiziell hören wir etwas über einen insgesamt gesunkenen Level an Kriminalität. Wer sich aber die Mühe macht, findet in den Zahlen tatsächlich Besonderheiten, die auf Zuwanderung und Asylrecht zurück gehen. Es ist also durchaus berechtigt, sich Gedanken zu machen, inwiefern Asylsuchende die Sicherheit der Bürger beeinflussen. Deswegen ist man noch lange kein Nazi. Außerdem ist es für einen normalen Bürger kaum einsehbar, warum er bei jeder kleinen Ordnungswidrigkeit sofort – bis zur Durchsetzung von Ordnungshaft – vom Staat zur Rechenschaft gezogen wird, während man andererseits einfach Regeln und Gesetze außer Kraft setzt oder Jahre braucht, um einen Kriminellen wieder abzuschieben – falls das überhaupt möglich ist. Mir ist klar, dass es für die langen Verfahren gute Gründe gibt, die nun mal in der Natur eines Rechtsstaats (Widerspruchsrecht) liegen, aber das hilft den meisten Menschen in ihren jeweiligen Lebensumständen überhaupt nicht.

Insgesamt scheint die Frage des Asyls der Prüfstein unserer Gesellschaft zu sein. Ich wollte es wäre anders, denn es gibt kaum eine schwierigere Frage. Auch hier, denke ich, sollten wir zuerst ehrlich mit uns selbst sein. Das wir in Deutschland geboren sind und nicht in Mali, ist Zufall. Wir waren wahrscheinlich nur wenig am deutschen Wirtschaftswunder beteiligt und kaufen gerne Waren, die billig aus dritte Welt Ländern eingeführt werden oder von deren Arbeitskräften erzeugt wurden. Wir haben in den letzten 50 Jahren wahrscheinlich nicht effizient gegen Krieg in aller Welt gekämpft und arbeiten gerne in einem Betrieb, der u.U. von der EU Wirtschaftspolitik, die dritte Welt -Staaten ausbeutet, profitiert. All das ist so, aber falls wir nicht gerade zu den paar hundert Politikern oder Industriellen mit echter Macht gehören, haben wir wenig Möglichkeiten daran etwas zu ändern. Der ethische Imperativ sagt uns ganz klar: unser Leben ist nicht mehr wert, als der des 15-jährigen Jungen aus der Sahelzone, der sich auf den Weg nach Europa macht. Insofern gibt es keine „moralische“ Rechtfertigung, Menschen den Zugang zu unserem Land zu verweigern. Jedes Leben zählt gleich und deswegen kann „Asyl“ – als lebensrettende Maßnahme – eigentlich keine Obergrenze haben. Eine Grenze wäre sowieso aus dieser Sicht paradox. Wenn ich z.B. 100 Leben rette, wieso dann nicht 101? Es gibt schlicht keine Zahl, ab der unser System einfach kollabiert. Es ist ein schleichender Prozess.

 

Von Gottlieb Doebler – http://www.philosovieth.de/kant-bilder/bilddaten.html, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32847847

Ich bezweifle das Kant mit seinem kategorischen Imperativ das wirklich hätte leben können, wenn er denn mal aus Königsberg und seinem Elfenbeinturm herausgekommen wäre. Ich gestehe, ich könnte das nicht. Auch wenn mir klar ist, dass alles Leben gleich viel wert ist, werde ich das Leben der Menschen, die ich liebe, immer höher schätzen als das von Fremden. Möglicherweise macht mich das zu einem kaltherzigen Nazi, aber so ist es. Ich bin bereit, unmoralische Dinge zu tun (bis zu einem gewissen Punkt), wenn ich damit meine Kinder, Frau, Familie oder Freunde schützen kann. Selbst wenn es um die Abwehr zukünftiger Gefahren – die vielleicht nie real werden – geht. An alle, die jetzt erschüttert den Kopf schütteln: Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass ihr in einer konkreten Situation auch so handelt. In der Psychologie spricht man dabei von In-Group und Out-Group Effekten – die in unserem sozialen Gehirn fest verdrahtet sind. Wir werden immer im Interesse unserer Sippe handeln, wenn es eng wird. Trotzdem sind wir Menschen zu größtem Mitgefühl fähig und unser Gehirn ist nur deshalb so leistungsfähig, weil es ein Organ zum Leben in sozialen und teilweise altruistischen Systemen ist.

Wie passt das mit unseren Nazis zusammen? Die Konstellation ist einfach zu verstehen. Menschen, die auf ihrer Flucht nach Europa kommen, sind die Out-Group, die mit den Einheimischen um Ressourcen konkurrieren. Das erzeugt Angst, noch bevor sich Mitgefühl einstellen kann. Dabei wäre Mitgefühl eine unserer großen Stärken. Keine andere Tierart verfügt über derart ausgeprägtes Mitgefühl. Wie könnte man das nutzen?

Zunächst: Mitgefühl entsteht bei Menschen immer nur in einem Kontext von Gerechtigkeit und Wertschätzung. Jemand, der sich ungerecht gegenüber anderen verhält, oder das Mitgefühl nicht schätzt, verliert schnell die Unterstützung seiner In-Group. Es ist für uns wichtig, dass der Mensch, mit dem wir fühlen, es auch verdient. Dabei gibt es auch eine Art biologisch einprogrammierte Prioritätenkette von schwach nach stark. Deswegen schwillt vielen der Hals, wenn auf den Rettungsboten im Mittelmeer nur Männer zwischen 18 und 25 sitzen. Unsere „Frauen und Kinder zuerst“-Regel im Kopf ist schon seit den Anfängen der Evolution trainiert und lässt sich von Quotenregelung und Gleichberechtigungsbemühungen nur wenig beeindrucken. Sie ist nicht nur biologisch sinnvoll (Erhaltung der Art), sondern auch moralisch einwandfrei – der Starke hilft dem Schwachen. Es ist kein Geheimnis, dass diejenigen, die es bis ins Mittelmeer schaffen, zwar unmenschlich leiden, aber immer noch die „starken“ sind, gegenüber denjenigen – oft eben Frauen, Kinder, Alte – die auf dem Weg ans Meer weder die Kraft noch das Geld hatten. Die ganz Schwachen fischen wir nicht aus dem Meer. Wir lassen sie in den Krisengebieten sterben.

Von Frank C. Müller, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47487290

Ich will nicht, dass jemand im Mittelmeer auf der Flucht ertrinkt und das Bild des kleinen Alan Kurdi werde ich sicher nie wieder vergessen können. Die Frage ist, machen wir es besser, wenn wir diese Menschen dann nach Europa bringen oder sollten wir sie wieder an die Küste Afrikas zurück bringen? Ich befürchte, auf diese Frage gibt es keine Antwort mit der ich leben könnte. Ich bin eher dafür, das der Westen die Fluchtrouten organisiert, und zwar mit Startpunkt in den jeweiligen Krisengebieten und einer Auswahl vor Ort. Keine gefährliche Reise, kein Geld an Schleuser, kein Ertrinken, keine Zwangsprostitution und keine Kriminalität, weil man sich an die Spitze der Nahrungskette beißen will. Wir suchen nach humanitären Gesichtspunkten aus! Kinder, Frauen, Alte… Es dürfte nicht schwierig sein, sich auf ein Regelwerk zu einigen, dass für den Westen funktioniert. Dann bringen wir die Asylsuchenden in unser Land. Daneben würde keine weitere Einreise mehr geduldet.

Es bliebe natürlich noch die Frage der Zahl. Wie viel verträgt unsere Gesellschaft? 10.000, 100.000, 1.000.000 oder vielleicht Alle, die kommen wollen? Wie kann man es schaffen, dass die Menschen ihr Herz bis an die absolute Grenze dessen, was machbar ist, öffnen können, ohne Angst zu bekommen? Vielleicht würde es helfen, wenn man aufhört, nach nur einer Zahl zu suchen. Deutschland besteht aus einer großen Anzahl von Städten und Gemeinden. Alle ähnlich, und doch immer anders. Jede Zahl, die die Bundesregierung festlegt, wird von den Bürgern als „von oben beschlossen“ empfunden – gleichsam von einer anderen Out-Group festgelegt. Was wäre, wenn nicht Deutschland eine Quote für Asylsuchende festlegt, sondern jedes Dorf und jeder Stadtteil selbst? Was glaubt ihr? Stimmt die Bevölkerung eher für eine abstrakte (hohe) Zahl für die Bundesrepublik oder lieber für die Anzahl der Asylanten in der direkten Nachbarschaft? Was würde passieren, wenn man regelmäßig im Gemeindeblatt lesen würde, „Hallo, wir haben 3 allein erziehende Mütter, 4 Familien und einen Rentner, der in Deutschland Asyl sucht. Haben wir Platz (und ein Herz) für diese Menschen?“ Ich glaube, dass es auf diese Art viel mehr Platz für Asylsuchende gäbe. Am Ende wäre die Gesamtzahl wahrscheinlich viel höher als alles, was politisch als Obergrenze durchzusetzen wäre. Es ist schlicht einfacher, eine Entscheidung für das eigene soziale Umfeld zu treffen, als mit Direktiven von oben zu leben. Außerdem würde man auf diese Weise die „Out-Group“ zur „In-Group“ machen. Viel weniger Angst wäre die Folge. Wenn wir es dann noch schaffen, in Politik und Gesellschaft wieder ehrlicher zueinander und mit uns selbst zu sein, Menschen nicht einfach als Nazi abstempeln, sondern deren Ängste anzuerkennen und (hoffentlich) auch zu nehmen, könnte es wirklich funktionieren mit Deutschland.

Klar, das wäre logistisch, organisatorisch und politisch eine riesen Anstrengung – aber es wäre es wert. Wir hätten wieder Frieden. Dafür lass ich mich sogar Nazi nennen….

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Die kommenden Tage….

In meinem letzten Blogbeitrag habe ich über meine Sehnsucht nach einem neuen Utopia geschrieben. Ein schöner Traum, leider nicht allzu wahrscheinlich. Nur ein Narr bereitet sich ausschließlich auf seine Traumzukunft vor. Zu schwarz sollte man die Zukunft auch nicht sehen, sonst wird es schwer weiter durchzuhalten. Nun mag jeder seine individuelle Linie ziehen zwischen „zu rosig“ und „zu schwarz“, aber ich finde es es ein guter Anfang mit den Prognosen zu starten, die halbwegs gesichert sind, oder, falls es keine gibt, einen aufmerksamen Blick in die Vergangenheit zu werfen.

So einen Versuch macht auch der Film „Die kommenden Tage“ aus dem Jahr 2010, von dem ich auch den Titel dieses Beitrags entliehen habe. Er beschreibt die Veränderungen im Leben einer Familie, genauer zweier Schwestern, in der Zeitspanne 2012-2020. Es vergeht eigentlich kein Jahr, in dem ich mir den Film nicht ansehe, und in jedem Jahr bekomme ich mehr Angst, dass man es sich in 2020 nicht mehr als Spielfilm, sondern als Doku ansehen wird. Eine ganz normale Familie in einer sich schnell verändernden Welt. Der Vater Anwalt der Großindustrie, die Mutter frustrierte Hausfrau, der Sohn orientierungslos und später als Bundeswehrsoldat im Ausland, und die beiden Töchter. Während die eine verzweifelt versucht, ihre Träume (Studium, Familie, heile Welt) zu retten, wird die andere durch vermeintliche Intellektuelle in den bewaffneten Widerstand gezogen. Alles beginnt harmlos – fast könnte es die Momentaufnahme einer heutigen deutschen Durchschnittsfamilie sein.

Wie sieht unsere Zukunft denn nun wirklich aus? Wagen wir doch mal eine Projektion auf der Basis der vorliegenden Daten. Im Moment scheint die Flüchtlingswelle unser größtes Problem zu sein. Dazu Altersarmut, weiterer Abbau des Sozialstaats, schwierige Wirtschaftssituationen. Der Klimawandel läuft als Problem quasi nur so mit. Der Verkauf von SUVs boomt immer noch – scheinbar also noch kein Grund zur Panik. Ich denke, nach den Erfahrungen von Kyoto usw. wird keiner mehr glauben, dass wir die Erderwärmung auf 1-2 Grad begrenzen können. Realistischer ist da schon eher Hoffnung unter 5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts zu bleiben. Bis zum Ende des Jahrhunderts hört sich lange an, aber das täuscht. Die Kinder, die heute geboren werden, werden schon kurz nach Erreichen der Volljährigkeit eine völlig andere Landkarte sehen als wir. Meine Kinder, heute 11 und 13, werden wohl schon vor dem Erreichen ihres 30. Lebensjahrs größere Veränderungen miterleben. Es passiert jetzt!

Selbst wenn wir uns nur die nächsten 20 Jahre ansehen – und damit sicher bei den meisten Lesern noch innerhalb der aktiven Lebensspanne bleiben – wird sich einiges ändern. Die wesentlichste Änderung wird Afrika betreffen. Ein Kontinent, den die westliche Welt kompromisslos Ausbeutet und ohne Skrupel als Rohstofflieferant ausnutzt. Seit wir die EU (und Entwicklungshilfe) haben, muss Afrika auch noch als Abnehmer unserer Über- oder Billigproduktionen herhalten. Auch unseren Müll lassen wir dort hinreisen. Durch den Klimawandel wird Zentralafrika und weite Teile des Restkontinents schlicht unbewohnbar. Wer dort bleibt, stirbt. Die Folgen für die Umwelt werden verheerend sein, aber die Folgen der unvermeidlichen Völkerwanderung werden uns eher treffen. In Afrika leben mehr als 1 Milliarde Menschen – zum Vergleich: Europa hat gerade Mal ca. 750 Millionen. Gehen wir dann davon aus, dass mindestens 50% der Menschen (konservative Schätzung) Afrika verlassen müssen, wenn sie überleben wollen, haben wir es also in der Tat mit einer Völkerwanderung zu tun. Es werden sich nicht alle auf einmal auf den Weg machen. 1-2 Generationen lang wird nur ein kleiner Teil kommen. Die die bleiben, werden sich an Tod und Elend gewöhnen. Es wird eine Generation aufwachsen, die ohne Chance ist und nichts zu verlieren hat. Sie wird daran gewöhnt sein, um knappe Ressourcen zu kämpfen und um überleben zu können, weitgehend empathiefrei ist. Zur Klarstellung: Das hat nichts mit Rasse, Religion oder sonstigen spezifischen Eigenschaften zu tun. Das ist die unausweichliche Folge der Umstände. Unsere Gesellschaft würde sich mit diesen Rahmenbedingungen genauso verändern. Auf den Weg machen sich dann nur noch die Jungen und Starken. Diejenigen die gekämpft haben und sich durchzubeißen wissen. Die schlauen, pfiffigen aber genauso die brutalsten von Allen. Die Familien, die Alten und Schwachen werden den Weg kaum schaffen. Schon heute ertrinken im Mittelmeer bei den Flüchtlingen überwiegend Frauen, Kinder und Alte. Diese Verzweifelten werden dann auf ein befestigtes Europa treffen. Europa, der Mittelschicht beraubt, überaltert und einer jungen Generation die ebenfalls mit einer 1.-Welt Perspektivlosigkeit aufgewachsen ist. Welche Ziele sind in Europa den interessant? Wo wird es keine katastrophalen Folgen des Klimawandels geben? Portugal, weite Teile Spaniens und Süditaliens wird es sicher auch treffen. Bleibt Frankreich, Deutschland, UK, Skandinavien und eventl. Osteuropa. Ein paar davon werden sicher die Landesgrenzen verteidigen, aber in vielen Staaten gibt es dazu gar nicht die entsprechende Landesverteidigung. Deutschland z.B. wird wohl kaum wieder in die Bundeswehr investieren oder eine Mauer bauen.

Spätestens jetzt möchte man lieber mit dem Gedankenspiel aufhören. Die Welt, wie wir sie heute kennen (oder besser sehen) wird dann aufhören zu existieren. Eine Flut von Menschen die absolut nichts zu verlieren hat auf der Suche nach einer Zukunft. Menschen die gelernt haben, dass keine Hilfe aus Europa zu erwarten ist und die schon ihr Leben lang für das eigene Überleben gekämpft haben. Wir, mit unseren Handys die ohne Koltan und andere Rohstoffe aus Afrika nicht funktionieren, unseren SUVs, unserem Bedarf an Kakao, Bananen, Erdöl, Diamanten, Baumwolle… – die Liste könnte endlos so weitergehen. Wir haben Afrika fast alles genommen und den meisten Afrikanern unseren Wohlstand verweigert. Wir haben das freie Saatgut durch gentechnisch verändertes und teures ersetzt. Sogar Wasser will Nestle und Co dort lieber verkaufen. Heute könnte die Erde auch ein 1.-Welt Verschwendungsnivieau ausgedehnt auf die 3. Welt nicht mehr aushalten.

Wenn das so kommt, wird sogar unsere Generation wieder physisch – mit der Waffe in der Hand – ums Überleben kämpfen müssen. Das klingt hart. Aber die kleine Menge an Flüchtlingen aus Syrien hat doch schon gezeigt wie wenig unsere Gesellschaft mit solchen Veränderungen umgehen kann. In 20 Jahren, wenn die wirtschaftliche Situation der meisten Menschen hier noch wesentlich schlechter sein wird wird ein kleiner Funke reichen um das Pulverfass zu zünden. Zyniker machen heute schon den Waffenschein und kaufen Aktien von Firmen die Stacheldrähte herstellen.

Einstein hat mal gesagt, dass es unerwartet schwer ist, die Menschen zu überreden ihrem eigenen Überleben zuzustimmen. Das gilt heute mehr denn je. Die notwenigen Schritte sind scheinbar in unserem politischen System nicht durchzusetzen. Ich bezweifle, dass z.B. ein radikaler Schuldenerlass für Afrika sowie der erhebliche Ausbau der Entwicklungshilfe, der Umbau unseres Steuersystems (Ressourcenverbrauch muss VIEL teurer werden), das Ende der Externalisierung von Problemen (z.B. Müllentsorgung im Ausland) wirklich eine breite Zustimmung finden würde – weil es nämlich nicht umsonst kommen kann. Wir müssten wirklich Opfer bringen. Am wichtigsten wäre aber eine Reform unseres Wirtschaftssystems. Wachstum als Antrieb und Pflicht führt unausweichlich zur Zerstörung. Es gibt in der Natur nur ein Beispiel für unbegrenztes Wachstum: Den Krebs – und der tötet am Ende den Wirt.

Wir werden uns entscheiden müssen, ob wir lieber kämpfen oder teilen wollen. Noch geht teilen – und schlauer wäre es auch. Mir gefällt Teilen viel besser als Kämpfen. Schaut Euch doch mal den Film an, über den ich am Anfang dieses Blogs geschrieben habe.

Danke für’s Lesen.

Peace – Euer Christian