Kategorien
Artikel & Beiträge

Das Rezept für Veränderung

Es wird Zeit, dass sich etwas ändert. Dieser Satz wurde wahrscheinlich schon zu allen Zeiten und von jedweder politischen Couleur vorgebracht. Trotzdem sind tatsächliche Änderungen, man könnte sie auch Revolutionen nennen, eher selten. Obwohl der Wunsch so häufig präsent ist, gelingt es den wenigsten Initiativen, echte Änderungen anzustoßen. Wieso eigentlich? Was ist das Rezept für Veränderung? Wie funktioniert sie?

Ich begebe mich heute beim Schreiben des Artikels auf ziemlich dünnes Eis. Nicht zuletzt, weil einige Thesen dazu einladen, falsch (als Populismus) verstanden zu werden. Trotzdem will ich den Versuch wagen. Wie mittlerweile viele meiner Leser wissen, bin ich seit einiger Zeit bei #aufstehen aktiv. Die Bewegung wird auch in diesem Text eine wichtige Rolle spielen, aber es ist mir wichtig, dass ich das hier nicht als #aufstehen-Aktivist schreibe. Ich bin sogar sicher, dass es nicht wenige Menschen bei #aufstehen gibt, die meine Ansichten überhaupt nicht teilen. Auch das finde ich gut. #aufstehen ist nicht zentral gleichgeschaltet und hält unterschiedliche Meinungen aus.

Schauen wir uns also an, wie Veränderung funktioniert. Am besten auf einer ganz persönlichen Basis, nämlich für einen einzelnen Menschen. Was muss passieren, bevor jemand sein Verhalten ändert?

Eine Verhaltensänderung bedarf einiger Voraussetzungen bzw. das richtige Verhältnis der einzelnen Parameter zueinander. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Leidensdruck, der Krankheitsgewinn sowie das Know-How, wie eine Änderung aussehen könnte bzw. wie diese zu bewerkstelligen ist.

Nehmen wir als Beispiel das Rauchen. Hier wäre z.B. der Leidensdruck, die Angst um die eigene Gesundheit oder auch die Kosten. Der Krankheitsgewinn ist in diesem Kontext die beruhigende Wirkung des Rauchens, das Gefühl der Geselligkeit oder Lässigkeit und vielleicht auch eine entsprechende Gruppenzugehörigkeit, etc. Das Änderungswissen könnte z.B. das Wissen um eine entsprechende Entzugsmethode sein oder auch die Erkenntnis, dass man schon erfolgreich einen „kalten“ Entzug geschafft hat. Das Änderungswissen kann jedoch nur wirksam werden, wenn der Leidensdruck deutlich größer als der Krankheitsgewinn ist. Es hilft z.B. überhaupt nichts, eine völlig problemlose und einfache Methode zur Entwöhnung zu kennen (falls es so etwas gibt), wenn der Krankheitsgewinn den Leidensdruck übersteigt. Dies ist gerade bei Rauchern oft der Fall, da eine abstrakte gesundheitliche Gefahr, die irgendwann in der Zukunft eintreten kann, im Vergleich zu dem sofortigen Lustgewinn des Rauchens einfach nicht überwiegt. Hierzu ist die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub wichtig, der bei Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt ist (aber auch lernbar ist – hier setzt häufig Therapie an). Wird jetzt z.B. eine beginnende Krebserkrankung diagnostiziert, kehrt sich bei vielen Menschen das Verhältnis sofort um, und es wird unmittelbar mit dem Rauchen aufgehört. Leider jedoch oft zu spät.  In die schöne und kurze Sprache der Mathematik verpackt würde es wohl ungefähr so aussehen:

Die Signum-Funktion „Sig()“ sorgt in diesem Fall dafür, dass nur bei überwiegenden Leidensdruck das Änderungswissen wirksam werden kann (und es sieht natürlich auch viel wissenschaftlicher aus!).

Das Schöne an diesem Konzept ist, dass es sowohl bei einzelnen Individuen als auch bei größeren Gruppen, ja sogar bei ganzen Gesellschaften funktioniert. Es findet sogar auch bei der Beurteilung von Märkten in Volkswirtschaften – etwas modifiziert – seine Anwendung.

Wenn wir also Veränderung in unserer Gesellschaft wollen, wie können wir diese Erkenntnis nutzen? Schauen wir dazu kurz in unsere eigene nationale Geschichte.

Die letzte gesellschaftliche Revolution in der Bundesrepublik war Ende der sechziger Jahre zu beobachten. Ich nehme hier bewusst nicht die deutsche Wiedervereinigung als Beispiel, weil es in diesem Fall einige Besonderheiten gab, die den typischen Prozess etwas verdeckten.

Das Erbe der 68er – mittlerweile 50 Jahre her – war der Aufbruch in eine aufgeklärtere, offenere und freiere Gesellschaft. Diese Entwicklung war zunächst getrieben von intellektuellen Debatten eng umrissener Eliten (Studenten, Journalisten, etc.) und wirkte doch am Ende über einen einzigen Schlüsselbegriff: Freiheit. Dieser Schlüsselbegriff wurde von einer breiten Bevölkerungsschicht adaptiert und mit einem persönlichen Freiheitsbegriff gefüllt. Es gab plötzliche die sexuelle Selbstbestimmung, Emanzipation, das Erstarken der Gewerkschaften, Abkehr von den Zwängen der Religion (Kirchensterben) und vieles mehr. Es dauerte mehrere Dekaden, bis wir – irgendwann in den späten 80er Jahren – tatsächlich eine modernere, freiheitliche und liberale Gesellschaft etabliert hatten. Auch damals lag ein Geheimnis des Wechsels in der Zahl. Es war eine breite Allianz, quer durch alle Gesellschaftsschichten. Trotzdem war die Gegenwehr eines relativ kleinen Establishments aus Wirtschaft und Politik erbittert und zäh.

Irgendwann in den neunziger Jahren begann sich das Blatt zu drehen. Auch hier ging es wieder um Freiheit, jedoch geht es beim Neoliberalismus um die Freiheit der Konzerne, nicht die der Bürger.

Der Wunsch nach Freiheit war in den Sechzigern und Siebzigern die treibende Kraft. Auch heute ist Freiheit sicherlich eine wichtige Größe, aber ich denke, dass andere Faktoren heute mindestens genauso bestimmend, wenn nicht entscheidend sind.

Ganz vorne steht das Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit, d.h. meine Handlungen machen einen Unterschied und ich habe mein Leben (weitgehend) selbst unter Kontrolle. Diese fehlende Selbstwirksamkeit ist es, die zu geringen Wahlbeteiligungen bzw. Politikverdruss führt. Es ist egal was ich wähle, es kommt sowieso immer das Gleiche heraus. Man kann den Effekt gut bei sogenannten „Schicksalswahlen“ sehen, wo es um ganz konkrete, kurzfristig eintretende Wirkungen geht, z.B. die Landtagswahl im Saarland, die gleichzeitig auch Lafontaine implizit zum Kanzlerkandidaten der SPD machte, oder die aktuelle Landtagswahl in Bayern, bei der es darum ging, „die AfD zu verhindern“. Es gab immer eine deutliche höhere Wahlbeteiligung, wenn ein direktes, kurzfristiges emotionales Ziel verknüpft war.

Auf der anderen Seite steht der Wunsch nach Sicherheit, und damit eng verknüpft ist das Maß an Vertrauen, dass ich an einen gewählten Anführer habe. Eine Größe, die man heute eher mit dem Mikroskop messen muss.

Wie wir aus dem oben erklärten Mechanismus eines Änderungsprozesses gesehen haben, sind diese Wünsche, in der Formel „Leidensdruck“ genannt, relativ abstrakter Natur. Es ist zunächst nichts, was man in einer parteipolitischen Debatte oder einem Parteiprogramm finden würde. Selbstverständlich muss man ab einem bestimmten Zeitpunkt überlegen, wie man solch ein abstraktes Ziel realisieren kann, aber zunächst wird das Handeln der Menschen von einem Teil ihres Gehirns bestimmt, der weder Ratio noch Sprache kennt. Revolutionen beginnen im Herz, nicht im Kopf. Ein rein intellektueller Ansatz wird immer zum Scheitern verurteilt sein. Das zeigt zum Beispiel auch die Volkswirtschaftslehre. Deren Thesen und Konzepte beruhen im Wesentlichen auf einem Homo oeconomicus, einem Nutzenmaximierer, der zutiefst logisch und rational handelt. Wie sich jedoch im Laufe der Jahre gezeigt hat, gibt es diesen Menschen nicht, und sehr häufig sind deshalb die Prognosemodelle einfach falsch.

Alle höheren Funktionen unserer Wahrnehmung dienen im Prinzip nur dazu, den Entscheidungen, die aus der Tiefe unseres Gehirns kommen, die Erklärung zu geben, die wir für das unverzichtbare Gefühl der Selbstwirksamkeit und Erkenntnis brauchen.

Es ist also wesentlich, die Emotionen eines Menschen zu erreichen, wenn man Veränderung will. Unglücklicherweise liegt hier (paradoxerweise) genau die Schwäche der „Linken“ und die Stärke der „Rechten“. Die Linken sollten begreifen, dass die Rezepte zur Veränderung aus den 68igern heute nicht mehr funktionieren. Es hat einfach keine Intellektualisierung der Gesellschaft stattgefunden, die die bisherigen Konzepte und Ansätze aber benötigen würden. Das Ergebnis sind endlose, ideologische Statements – immer mit einem Hauch vom Kantschen Imperativ – die man z.B. bei facebook dadurch erkennt, dass man sie minutenlang scrollen muss, um sie ganz zu lesen. Wir könnten jetzt die geringe Aufmerksamkeitsspanne oder das mangelnde Interesse beklagen. Es ändert aber die Realitäten nicht! Wer Veränderung will, muss die Menschen da abholen, wo sie sind – nicht wo wir sie gerne hätten. Diese Erkenntnis hat nichts mit Arroganz oder Snobismus zu tun. Es ist schlicht die Anerkennung der Lebensumstände der meisten Menschen. Eine Krankenschwester würde ein langes Parteiprogramm genauso verstehen – wahrscheinlich noch besser als Herr Spahn, da sie die Lebensrealitäten hinter den Themen aus eigener Erfahrung kennt – wie ein promovierter Politikwissenschaftler oder Journalist. Es ist nur unrealistisch und auch unfair anzunehmen, dass sie nach einem harten Arbeitstag, im Schichtdienst und am Wochenende für einen Hungerlohn dafür noch die Energie hat.

Die bisherigen „Aktivisten“ sind mehrheitlich „politische“ Menschen, mit denen die neuen Mitglieder von #aufstehen, die oft zum ersten Mal wirklich politisiert sind, häufig fremdeln. Ich bin aber guter Hoffnung, dass die Polit-Novizen bald in der Mehrzahl sein werden. Die Gründungsversammlung von #aufstehen Rheinland-Pfalz war dafür ein gutes Beispiel. Das Treffen wurde zwar von der „Zentrale“ angeregt, Inhaltlich wurde es aber vollkommen frei von den Interessenten bestimmt. Es waren nur wenige in Parteien organisierte Menschen gekommen und selbst diese traten ausdrücklich als Bürger und nicht als Parteisoldaten an. Damit es so bleibt, sollte #aufstehen es als Verpflichtung ansehen, sich auf die Bedürfnisse dieser neuen Mitglieder einzustellen und nicht unausgesprochen fordern, dass sie 30 Jahre (oder mehr) Auseinandersetzung mit parteilicher Programmpolitik in Rekordzeit nachholen, bevor sie ernst genommen werden. Am Ende sind sie – die Politikneulinge – es nämlich, die die Veränderung ermöglichen. Nicht diejenigen, die sich für eine Art Elite halten, weil sie seit 1972 ein Spiegel-Abo haben, regelmäßig an Demos teilnehmen und eine Art Paternalismus für die politisch Unerfahrenen für geboten halten.

Mit Politsprech kann man die Menschen nicht erreichen. So wäre z.B. #aufstehen gut beraten – auch um sich von den üblichen Politikbetrieb abzugrenzen – ein eigenes Vokabular zu benutzen. Soziale Gerechtigkeit ist ein politischer Kampfbegriff. Beim Grillen mit (unpolitischen) Freunden oder in der Kneipe wäre aber wahrscheinlich eher von Fairness die Rede. Lasst uns Alltagssprache verwenden – keine Politikparolen.

Unglücklicherweise scheint es nur die AfD zu sein, die das Konzept von der emotionalen Erreichbarkeit der Bürger als einzige verinnerlicht hat. Die AfD diese Mechanismen längst erkannt und agiert wesentlich geschickter als die etablierten Parteien.

Ein gutes Beispiel auf der anderen Seite war die #unteilbar Demo in Berlin. Rund 250.000 Menschen versammelten sich hinter einem relativ unscharfen Motto. Es war so unscharf, dass sogar Feministinnen neben konservativen Anhängern des Islam laufen konnten. Es war außerdem ein Motto, das eigentlich niemand ablehnen oder schlecht finden kann. Leise Kritik, an den dahinter stehenden Forderungen, z.B. offene Grenzen für Alle, wurde sofort von einer breiten Öffentlichkeit abgestraft. Dank des guten Wetters war es am Ende mehr ein Volksfest als Demo und jeder konnte guten Gewissens seine eigene Idee von #unteilbar feiern. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es bei Diskussionen der politischen Details einer möglichen Umsetzung zwischen den Teilnehmern relativ schnell zu klaren Differenzen gekommen wäre.

Es gibt mehr zu gewinnen (und zu verlieren) als den Kampf gegen Rechts. Die politische Linke hat aber bereits begonnen, sich selbst zu zerfleischen. Was bringen gemeinsame Demos von CDU, SPD, Gewerkschaften, Linken, AntiFa, etc. gegen Rechts wenn am Ende doch Merkel (oder ein anderer Fürsprecher des Neoliberalismus) auf dem Kanzlerstuhl bleibt? Außerdem hat dies bisher auch den Aufstieg der Rechten nicht verhindert und ich halte es für schlicht unlogisch, dass mehr Kampf das Problem löst. Nicht bei einem Anteil der AfD Sympathisanten in Deutschland, der im Schnitt irgendwo zwischen 20 und 30% liegen dürfte. Gerade in diesem Moment sehe ich die AfD bei der Landtagswahl in Bayern bei 11% in der ersten Hochrechnung. Sie ist damit stärker als die SPD und hat aus dem Stand 11% erreicht und hat damit weit mehr Zugewinne als alle anderen Parteien, außer den Grünen, die wahrscheinlich einfach Gewinner ihrer Nicht-Fisch-Nicht-Fleisch Politik geworden sind.

Mein Mangel an Kampfeswille gegen Rechts hat aber nichts mit Appeasement zu tun. Angriffen auf Rechtsstaat und Verfassung muss deutlich entgegen getreten werden. Ich will aber keinen „Bürgerkrieg“ in Deutschland, während sich Politik und Wirtschaft auf die Schenkel klopfen, weil wir sie im Kampfgetümmel wieder aus den Augen verloren haben.

Dem Establishment, sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft, ist die Gefährlichkeit von #aufstehen wohl bewusst – deswegen gibt es eben von diesen Seiten auch so wenig Zustimmung bzw. so viel Gegenwehr, Abwertung und Verleumdung.

Die häufigste Abwertung besteht darin, dass #aufstehen im Moment eher eine Art Mailingliste ist und verkennt dramatisch (oder verschweigt bewusst), wie wichtig ein solches Medium ist. In der Wirtschaft werden nicht umsonst riesige Summen von einer ganzen Industrie verlangt, die Firmen schlicht dies zur Verfügung stellt. Auch das Thema Big Data– eine ziemlich ausgefuchste Form von Datensammeln – dient letztlich nur einem Zweck: die Entscheidungen von Menschen zu beeinflussen – durch bessere Erreichbarkeit mit der jeweiligen „Nachricht“. Der Eintrag in einen Newsletter von #aufstehen von großen Teilen der Bevölkerung ist weit mehr aktive Beteiligung, als die etablierten Parteien verbuchen können. Es macht #aufstehen weiterhin unabhängig von externen Beurteilungen, z.B. durch andere Parteien via Presse. #aufstehen kann mit Nachrichten schnell, billig und einfach die Massen adressieren. Man muss aber auch dafür sorgen, dass die Nachrichten so formuliert sind, dass sie die Herzen der Empfänger erreichen.

Wenn dies gelingt, stellt #aufstehen genau den Faktor dar, der bei unserer Formel für Änderung bisher noch nicht abgedeckt war: das Änderungswissen, d.h. das Know-How, wie man entsprechende Veränderungen in der Praxis durchführen kann.

Und jetzt hätten wir bei unserer Formel alle Spieler auf dem Platz.

Den Leidensdruck – der ohne Zweifel in der Breite der Bevölkerung vorhanden ist – erreichen wir durch eine lebensnahe, emotionale Adressierung, und nicht durch endlose Parteiprogramme oder intellektuelle Arbeitskreise. Am besten auch durch Gesichter, die noch nicht in der Politik verbraucht sind. Menschen, die über Erfahrungen aus der realen Welt verfügen, im Leben auch schon Niederlagen einstecken mussten, und wissen, was es heißt, heute eine Familie mit Erwerbsarbeit durchzubringen. Das Ganze kann durch das Entstehen von #aufstehen entsprechend kanalisiert werden und liefert die notwendige Infrastruktur für weitreichende, konsensgetriebene Veränderung. Bliebe noch der „Krankheitsgewinn“. Genau an dieser Schraube dreht im Moment das wirtschaftliche und politische Establishment, diesmal in Form von negativer Verstärkung. Es könnte schon fast ein Beispiel aus der Konditionierungstheorie sein. Wehe, wenn ihr etwas ändert, dann verliert ihr euren Job, die Rechten übernehmen die Macht, … hier beliebige Angst einsetzen.

Was wäre also mein Rat an #aufstehen? Bleibt so lange wie möglich eine Bürgerbewegung und wachst so schnell ihr könnt! Es ist kein Fehler, auch Arbeitskreise zu haben, die sich mit politischen Detaillösungen beschäftigen, aber im Moment ist das noch nicht zwingend notwendig. #aufstehen muss wachsen und dafür reicht es, wenn wir uns auf die Emotionen der Menschen konzentrieren. Die Gründungserklärung ist die Basis, mit der bisher alle „Aufständischen“ einverstanden waren. Diese Inhalte transportiert man aber nicht über im Detail ausgearbeitete Programme in die breite Bevölkerung. Ich gehe davon aus, dass für die meisten Menschen in Deutschland der Gründungsaufruf von #aufstehen schon genug Infos enthält, um eine Entscheidung zu treffen. Wohlgemerkt, ich rede hier nicht von den „Aktivisten“, die ihr ganzes Leben schon politisch stark engagiert waren. Wenn wir einen echten Wandel wollen, brauchen wir im wesentlichen „Karl Mustermann“ und seine Frau und Kinder – den durchschnittlichen (im besten Sinne) Deutschen. Natürlich ist es sinnvoll, die Programme im Detail auszuarbeiten, um im Ernstfall wirklich handlungsfähig zu sein. Mit dem Wandel an sich haben diese Programme aber nichts zu tun. Geht lieber so schnell wie möglich mit den Ideen der Gründungserklärung auf die Straße, um damit Mitstreiter zu werben.

Für viele der älteren „Aufständischen“ ist die starke Konzentration auf digitale Medien bei #aufstehen sicherlich schwierig zu akzeptieren. Einerseits einer der N°1 Jobkiller, sollen hier plötzlich die gleichen Instrumente genutzt werden. Das ist verständlich, aber es ist letztendlich die Frage, was mit dem Werkzeug gemacht wird. Mit einem Hammer kann ich ein Haus bauen oder einen Kopf einschlagen. Ein Wesenszug der Linken war von jeher die Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem. Das sollte man sich  zunutze machen. #aufstehen hat – wie es auf Neudeutsch so schön heißt – Momentum. Jetzt muss man dran bleiben! Das Internet wird dabei für #aufstehen eine zentrale Rolle spielen. Die ersten hochgeladenen Videos zeigten schon den richtigen Weg. Influencer– nicht (nur) aus der Politik – erreichen andere Bürger mit emotionalen, persönlichen Stellungnahmen. Besonders in der frühen Phase, in der sich #aufstehen jetzt befindet, ist die Verletzlichkeit gegen Entwicklungen von Innen am größten. #aufstehen darf kein Intellektuellenclub der „üblichen Verdächtigen“ werden. Keine endlosen, selbstzerfleischenden Grundsatzdiskussionen, kein Politikgeschwurbel oder seitenlange Statements. Kein Hoffen auf „Verbündete“ aus anderen Parteien oder Interessengruppen. Es gibt einen Grund, warum die meisten neuen Aufständischen bisher in keiner Partei oder anderen Interessengruppe aktiv waren.

Ich bin sicher, viele Leser werden jetzt skeptisch oder angewidert denken, dass ich nur inhaltsloses Marketing propagiere. So ganz falsch ist das nicht. Man kann entweder für einen reale oder einen perfekte Welt Politik machen. Im zweiten Fall wird man allerdings in der realen Welt einen – wenn auch moralisch einwandfreien – Politiktod sterben. Ich bin sicher, wir benötigen modernstes Marketing um gegen den „Krankheitsgewinn“ – um bei unserer Formel zu bleiben – bestehen zu können. Die andere Seite wird sich nämlich sicher nicht selbst zensieren und darauf verzichten. Ich würde es aber nicht als inhaltsleer bezeichnen, sondern vielmehr als ein Skelett, auf dem die Bewegung dann Schritt für Schritt aufbaut – z.B. wenn sich die ersten „Aufständischen“ als freie Direktkandidaten bei Wahlen stellen. Auf diese Weise muss #aufstehen noch nicht mal eine Partei werden und kann trotzdem Politik aktiv beeinflussen.

Die Menschen sind bereit für einen Wechsel. Lasst uns ihnen jetzt den Rahmen dafür geben. Laden wir sie zu #aufstehen ein. Es wird kein leichter Marsch und die Gegenwehr wird hoch sein. Trotzdem bin ich dieses eine Mal zuversichtlich. Es ist egal, wie oft und konsequent man die Triebe zurück schneidet. Man kann den Frühling nicht verhindern, wenn seine Zeit gekommen ist.

Danke fürs Lesen.

Euer Christian

#keinPolitiker

Schreibe einen Kommentar