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Blaue Plaketten, rote Karten und schwarze Augenbinden.

Jetzt haben wir den Salat! Dieselfahrverbote! Jetzt hört der Spaß endgültig auf. Ist das der gewünschte Ruck, der durch Deutschland gehen muss? Statt ein toter Benno Ohnesorg die Autos in Bedrängnis? Ist das der Stein des Anstoßes, der alles entzündet?

Ehrlich gesagt wäre mir das sogar egal. Welche Ursache auch immer die Menschen zum Aufwachen bringt – es wäre gut für Alle. Der Witz ist, die Ursachen und Gründe, weshalb jetzt alle auf die Barrikaden gehen, sind keineswegs neu. Wir haben uns das alles gefallen lassen. Jahrzehntelang. Und aufregen tun wir uns auch nicht über die kommende Klimakatastrophe, sondern über die Einschränkungen der persönlichen Mobilität und Verlust von Kapital. Ich glaube, aus uns wären alle gute Geschäftsführer der Deutschen Bank oder so geworden. Immer den eigenen Vorteil streng im Blick.

Bevor jetzt der Shitstorm losgeht: Wir sind aber in erster Linie Opfer. Und zwar in mehrfacher Hinsicht. Von der Automobilindustrie verarscht und betrogen, von der Regierung als Bauernopfer in Stellung gebracht. Daran gibt es nichts zu beschönigen. Was mich allerdings nachdenklich macht, ist die Art und Weise wie wir damit umgehen. Zum Beispiel werden jetzt plötzlich alle Feinstaub-Experten. Seit ein paar Tagen wissen alle, dass ein Ozeandampfer an einem Tag mehr Feinstaub ausstößt als 14.000.000 Golf. Wahnsinn! Oder das bei Messungen häufig nur die natürliche Feinstaubbelastung gemessen wird – die gäbe es auch ohne Autos. Und überhaupt: Wer hat denn den Grenzwert festgelegt? Und während wir unsere Wut hier langsam abarbeiten können, stellt Mama Merkel bereits den nächsten Lobby-Minister vor. Diesmal im Gesundheitswesen. Darüber hört man vergleichsweise wenig. Kostet ja auch (noch) kein Geld.

Der Ozeandampfer ist ein schönes Beispiel. Das Argument hätte auch durchaus aus der Politik kommen können. Egal was wir machen – andere sind viel schlimmer. Fakt ist allerdings, Ozeandampfer fahren nicht durch Städte – von Hamburg vielleicht mal abgesehen. Sie sind ohne jeden Zweifel Dreckschleudern, tragen zur Umweltbelastung in Innenstädten aber vergleichsweise wenig bei. Andersrum ausgedrückt: Das Verbot von Schiffen würde die Belastung in der Stuttgarter Innenstadt nicht wesentlich verändern. Das Ganze ist nicht so abstrakt und weit weg, wie man vielleicht annimmt. Nur wenige Kilometer von mir entfernt gibt es, in einem kleinen Ort namens Stadecken-Elsheim, eine Engstelle, durch die jeden Tag hunderte – wenn nicht tausende – Pendler fahren müssen. Hier wurde der höchste Wert an Stickoxiden in Rheinland-Pfalz gemessen. Machen wir uns nix vor: Das kommt nicht von Schiffen oder natürlicher Feinstaubbelastung. Die Werte korrelieren nahezu 1:1 mit dem Durchgangsverkehr. Das kann man nachweisen.

Bleibt die Frage nach den Grenzwerten selber. Ich sag es ungern, aber diese Werte sind nicht zum Schutz der Umwelt gemacht. Dann müssten sie nämlich niedriger sein. Die Grenzwerte sind der maximale Wert, den man in der Politik noch verantworten konnte, ohne weitreichende und schnell sichtbare werdende gesundheitliche Schäden der Bevölkerung zu riskieren. Sie sind sozusagen der Mindestschutz, den wir noch haben. Es scheint mir nicht sinnvoll, ein Loch ins Boot zu schlagen, weil man zu viel Wasser außerhalb des Boots hat und einen Ablauf schaffen will.

Wir lösen das Problem nicht, indem wir es abwerten (natürlicher Feinstaub), mit dem Finger auf andere zeigen (Ozeandampfer) oder brav weiter die gleichen Parteien wählen. Ein wenig könnten wir uns auch an die eigene Nase fassen. Muss der Trend wirklich zum SUV als Zweitauto gehen? Wollten wir die Versprechen nicht einfach glauben? 350 PS und nur 3,4 Liter Verbrauch?

Manche haben Glück. Ich muss beruflich nicht PKW fahren. Ich bin kein Pendler, wenn man die Strecke zwischen Schreibtisch und Kühlschrank nicht mitzählt. Das sieht für mehr als 18. Millionen Deutsche (Zahlen aus 2016) aber anders aus. Diese Menschen haben schlicht keine Wahl. Die durchschnittliche Pendelstrecke liegt bei ca. 18 km einfach. Mir fallen bei diesen Zahlen spontan 2 Fragen ein? „Warum so viele“ und „warum gibt es bei der relativ kurzen Strecke keine Alternativen“? „Warum so viele“ ist relativ einfach zu beantworten: Die Leute können es nicht bezahlen, da zu wohnen, wo sie arbeiten. Woran liegt das? An der Politik. Nicht an der Umweltpolitik. Es ist die (Finanz-) Wirtschaft, die uns das eingebrockt hat und die Politik hat brav zugesehen. Wieso müssen Wohnungen in Städten zum größten Teil Spekulationsobjekte sein? Wieso haben wir uns weitgehend vom sozialen Wohnungsbau verabschiedet? Warum gibt es privatisierte Bahnstrecken und immer weniger Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr? Warum kostet ein Jahresticket für den Stadtbus für mich 782,-€? Eine einfache Hin- und Rückfahrt ist teurer als mit dem Auto zu fahren inkl. Parkhaus. Die Politik hat das zugelassen. Wir (also die Mehrheit – ich meine jetzt nicht die andere Hälfte) haben das zugelassen! Das dein Diesel nicht mehr benutzbar ist, hast du dem Kreuz bei CDU auf deinem Wahlzettel zu verdanken. Verantwortung übernimmt da niemand.

Im Moment kann man nur hoffen, dass die Basis der SPD Mitglieder uns vor dem nächsten Super-Gau (GroKo) rettet – auch wenn die Chancen dafür scheinbar schlecht stehen. Eine Neuwahl würde uns zumindest noch einmal eine Chance geben, nicht wieder durch den Idiotentest zu fallen. Eigentlich sind das nur Nebenkriegsschauplätze. Das was uns durch die Klimakatastrophe – scheinbar kaum abwendbar – bevorsteht, wird das alles als Luxusproblem erscheinen lassen.

Danke für’s Lesen.

Peace – euer Christian

#keinPolitiker

 

 

1 Antwort auf „Blaue Plaketten, rote Karten und schwarze Augenbinden.“

Ich bin der Ansicht, daß es Zeit ist für einen Paradigmenwechsel. Die Menschen werden immer älter. Ich denke, die Daten sprechen da eine eindeutige Sprache. Es wird ja wohl keiner behaupten: Die Menschen sterben wie die Fliegen. So kann es nicht weiter gehen. Nur einschneidende Maßnahmen können noch Rettung bringen. Aber obwohl die Menschen immer älter werden, sollen die Stickoxid-Grenzwerte regelmäßig immer aus neue halbiert werden. Koste es was es wolle. Aber die Kosten finden immer einen, der sie trägt. Nur der Schaf-Michel glaubt, daß er mit den Kosten nichts zu tun hat – Gesundheit für lau. Denn die Kosten, die trägt ja der Staat. ÖPNV kostenlos. Wo der Staat das Geld dafür wohl hernimmt? In der 1960er Jahren gab es die Parole: Blauer Himmel über der Ruhr! Das war auch bitter nötig. Es wurde erreicht, und alles war gut. Niemand kam auf die Idee, den Grenzwert für Regentage wieder und wieder zu halbieren. Warum kann bei den Stickoxiden nicht mal Schluß sein? Weil der Mensch den Hals nicht voll bekommt? Immer älter werden. Und noch älter? Nicolaus Fest erläutert in der aktuellen JF sehr schön den Wahnsinn der Grenzwertfanatiker. Da ist schon (so gut wie) alles gesagt.

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