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Mohrenkopf meets #metoo

Vorsicht! Dünnes Eis. Die Chancen stehen gut, dass du das gerade gedacht hast. Akute Shitstormgefahr. Eigentlich noch schlimmer. Wäre ich jetzt Politiker, wäre ich entweder erledigt, oder zumindest im Rechtfertigungsdruck. Wahrscheinlich gäbe es auch Beifall von den ganz falschen Seiten. Zum Glück bin ich kein Promi. Die Leute die mich kennen, haben sich längst an meine Ausdrucksweise gewöhnt und ich wage zu behaupten: die meisten verstehen es auch richtig.

Angefangen hat es, wie meistens, ganz schleichend und mit besten Absichten. Weniger Sexismus, politische Korrektheit, Minderheitenschutz. Wir sind noch lange nicht am Ende bei dieser Entwicklung aber gewisse Ähnlichkeiten mit der Inquisition sind nicht von der Hand zu weisen. Wir verbrennen zwar (noch) keine Bücher, fangen aber schon mal an, Kunst von Universitätswänden zu entfernen, wie das Gedicht von Gromringer an einer Berliner Hochschule. Immerhin enthalten die 8 spanischen Zeilen ja 3 x den Begriff „Frau“ – wobei das spanische „mujeres“ irgendwie viel schöner klingt – und irgendwer hat irgendwann entscheiden, dass es sexistisch, anachronistisch und frauenfeindlich ist. Wer das genau entschieden hat steht meistens nicht in den Artikel. Es wird sich auf eine „Studentenbewegung“ berufen. Es ist schon spannend, wer in Deutschland mittlerweile alles eine Deutungshoheit hat und bestimmen darf, was ich auf einer Hauswand lese. Der ganze Streit hat natürlich längst den Campus der Berliner Universität verlassen. Ein wenig erinnert es mich an den Fall, als Weltweit Muslime beleidigt waren weil in einem kleinen Blättchen in Skandinavien Mohamed Karikaturen abgebildet waren. Damals machten sich dann alle bissig über die ewig beleidigten Muslime lustig. Im aktuellen Spiegel ist zu lesen, dass ein Gemälde von Courbet – Der Ursprung der Welt – mittlerweile einen eigenen Wachmann braucht. Es ist nämlich, ohne eine religiöses oder sonstiges Alibi, eine Muschi drauf zu sehen. Was für ein Schock, wo doch 50% der Menschen auch eine haben.

Wieso ist das ganze eigentlich so ein Minenfeld? Wieso ist Mohr den per se ein negativ behafteter Begriff? Ein paar Jahrhunderte war es eine gängige Bezeichnung für Menschen mit dunkler Hautfarbe. Kein gebildeter und aufgeklärter Mensch benutzt das aber noch in diesem Zusammenhang. Trotzdem sind Mohrenköpfe jetzt zwingenderweise Schaumspeisen und Zigeunerschnitzel gibt es besser auch nicht mehr. Mir ist noch die endlose Debatte im Gedächtnis, bei dem ein Mainzer Traditionsbetrieb – die Dachdeckerei Neger – wegen Namen und Logo in Teufelsküche kam. Die Leute hießen nun mal einfach so und der berühmte Fastnachts Opa – in der Region legendär durch seinen Song „heile, heile Gänschen“ –  hat sich vor 70 Jahren ein Logo mit einem „Neger“ ausgedacht. Das kann man gut oder schlecht finden, aber einem Inhaber und Betrieb der Nachweislich eher Caritativ unterwegs ist und selbst viele Ausländer beschäftigt vorzuwerfen dem „Rassismus ein Gesicht zu geben“ geht aus meiner Sicht weit über Meinungsfreiheit hinaus und hört sich für mich eher nach Hetze und Rufmord an. Das perfide: die Anschuldigung genügt, und die Fakten spielen keine Rolle mehr.

Wir wollen die Guten sein. Keine Frage. Rassismus ist schlecht. Diskriminierung auch. Wer würde das bestreiten außer ein paar tumben Idioten? Viele Menschen suchen deshalb nach einfachen Möglichkeiten alles „richtig“ zu machen – und machen deswegen alles falsch. Wir brauchen keine Gesinnungspolizei, die die political correctness Sharia durchsetzt. Jeder sollte schon für sich selbst Nachdenken was Rassismus und Diskriminierung ist. Beides entsteht nicht durch die „bösen“ Wörter. Erst wir geben ihnen die semantische Bedeutung. Wenn ich das Logo der Firma Neger für rassistisch halte, bin ich wahrscheinlich mehr Rassist, als der Erfinder. In meinem Kopf entsteht dann nämlich das Bild von dem „Schwarzen“, den ich schützen muss. Ich denk bei Neger eher an die Süßspeise – und die liebe ich. Es ist so ähnlich wie mit Witzen über Behinderte. Die Betroffenen kennen die besten und lachen am lautesten. Außerdem wäre doch gerade das ausschließen aus Witzen eine Diskriminierung. Das es dabei eben auch Regeln des Anstands gibt ist unbestritten. Ich will nur nicht, dass jemand anderes die für mich festlegt. Eine hochgezogene Augenbraue meines Gegenübers hat früher gereicht um zu merken das man ins Fettnäpfchen getreten ist. Das war peinlich und man hat es sich gemerkt, oder entschieden: „Stellt der sich an!“. In dem Fall wurde man eben nicht Saufkumpane. Eine totale Vernichtung des Gegners zur Umerziehung war nicht nötig.

Bei der #metoo Debatte geht es mir so ähnlich. Auch hier ist doch klar, wer andere Menschen sexuell nötigt gehört bestraft, bei Beteiligung von Kindern gerne auch mal länger Knast – auch wenn ich weiß, dass die meisten Täter in dem Bereich früher selber Opfer waren. Das ist bedauerlich, aber weitere Opfer zu verhindern hat nun mal Priorität und ist auch sinnvoll. Sonst endet diese Spirale nämlich nie. Wir haben, im Prinzip, auch Gesetze die hohe Strafen ermöglichen. Komischerweise hab ich aber immer das Gefühl das Parksünder und Raubkopierer eher in den Knast gehen als Kindesvergewaltiger, aber das ist ein anderes Problem.

Das es jetzt aber schon als sexuelle Belästigung gilt, wenn ich einer Frau 5 Sekunden zu lang hinterher schaue, macht mir eher Angst. Ob sich jemand beleidigt oder belästigt fühlt oder nicht ist höchst individuell. Außerdem müsste das da ja auch konsequent für Alle gelten, d.h. auch Männer dürften dann über alles und jedes beleidigt sein. Wie sollen wir das mit gesellschaftlichen Normen reglementieren? Ich rede hier nicht von „sie hat zwar Nein gesagt, meinte aber Ja“. Wenn ich einer Frau ein Kompliment mache und sie das zurückweißt, ist jeder weitere Schritt Belästigung. In manchen IQ-Bereichen ist scheinbar hinterher pfeifen oder Bemerkungen über Brüste als Kompliment gedacht. Das ist sicher nicht Gentlemen-like sondern schlicht dämlich, aber jemanden wegen fehlenden Stils oder Dummheit wegzusperren bzw. seine Existenz zu vernichten? Mittlerweile die gängige Strafe für Verfehlungen jeder Art in diesem Bereich. Eigentlich ist die Sache ganz einfach. Stell dir vor, du hast eine Tochter, und dann benimm dich so, wie du es beim Freund deiner Tochter erwarten würdest.

Die meisten Fälle von sexueller Belästigung oder Diskriminierung entstehen, wenn es ein Machtgefälle gibt, und um es klar zu sagen, ich halte das nicht für ein Geschlechterproblem. Ich konnte in meiner beruflichen Tätigkeit einige Frauen in Führungspositionen erleben und kann sagen, die fassen einen vielleicht nicht an den Hintern (lag möglicherweise an meinem Hintern), aber die sind genauso eiskalt und gehen über Leichen wie der typische olg ugly white man.

Es ist ganz klar, dass ein fummelnder Vorstandsvorsitzender für eine Sekretärin ein echtes Problem ist. Oder eine Gruppe besoffener mit offener Hose, wenn eine Frau alleine im Parkhaus ist. Genau für solche Fälle brauchen wir eben Frauenbeauftragte oder Polizei. Ich denke aber nicht, dass es sich hier um einen Flächenbrand handelt. Eher um ein Generationenproblem. Es ist vielleicht nicht wirklich aufgefallen, aber Männer haben sich in den letzten 40 Jahren sehr wohl verändert. Unglücklicherweise schein das den meisten weiblichen Aktivisten nicht aufgefallen zu sein. In modernen Beziehungen gibt es kein echtes Machtgefälle mehr – außer vor dem Familiengericht. Dort wird komischerweise von allen Frauengruppen ohne Kritik hingenommen, dass die Frau als hilf- u. mittellos dargestellt wird und der Mann die finanzielle Versorgung sicher zu stellen hat. (Ich erlaube mir hier mal eine Verallgemeinerung weil es in 95% der Fälle so verhandelt wird. Natürlich kann das im Einzelfall auch mal umgekehrt sein. Blödheit und Charakterschwäche sind keine Frage des Geschlechts). Außerdem sind die wenigsten von uns (Männern) tatsächlich in einer echten Machtposition. Von den knapp 42 Millionen Männern in Deutschland dürften nur wenige Vorstandvorsitzende o.ä. sein. Ich würde behaupten, dass weniger als 1 % der Männer eine echte Machtposition im Beruf haben die sie ausnutzen könnten. Noch krasser ist es in Amerika. Da reicht es schon das jemand denkt, dass es „potentiell“ Frauenfeindlich war wenn sie ein Kompliment über Schuhe gemacht haben und sie gehen stempeln. Ich sehe da sehr wohl ein Machtgefälle, aber nicht auf Seiten der Männer.

Die Tatsache das Männer meistens Frauen an Körperkraft überlegen sind würde nur automatisch ein Machtgefälle erzeugen, wenn wir alle kein Gehirn hätten oder pur instinktgesteuert wären. Wir haben aber zum Glück schon seit mehreren 10.000 Jahren eine Großhirnrinde, die auch einen sozialen Kodex enthält. Echte Männer schlagen keine Frauen. Sie beschützen sie. So wie Menschen Kinder beschützen und es so üblich ist – zumindest wenn es einen Rest Kultur gibt – den schwächeren zu helfen. Der „Schwächere“ ist eine Rolle die dauernd wechselt. Das hat mit Situationen und nicht mit Geschlecht zu tun. Etablieren tut man sowas in Gesellschaften durch Vorbilder. Wer also wirklich was gegen Sexismus tuen will, ist gut beraten, die bisher erfolgten positiven Veränderungen in dem Umgang zwischen Mann und Frau anzuerkennen und zu fördern. Eine Frau kann nur wirklich gleichberechtigt sein, wenn sie dem Mann das auch in typischen Frauendomänen erlaubt. Ich rede jetzt nicht davon, dass ein Mann auch Sprechstundenhilfe werden darf und eine Frau Maurer. Das ist doch längst selbstverständlich. Ich rede von einer echten Gleichberechtigung bei den Rollen innerhalb der Familie, ganz besonders bei der Erziehung der Kinder. Die Generation der Väter von heute hat mit dem Verhalten unserer Väter kaum noch etwas gemein. Bei wieviel Männern zwischen 30 und 50 geht die Familie den nicht vor? Das wäre eine interessante Untersuchung, für die es leider kaum belastbare Zahlen gibt. Deswegen kann ich mich nur in meinem Umfeld umsehen um zu einer Antwort zu kommen. Möglicherweise fällt die Antwort für dich anders aus, aber ich sehe fast ausschließlich Männer, die ihr Bestes geben ein guter Vater zu sein und gerne jede Aufgabe in der Familie mit tragen. Ob die auch derbe Witze über Frauen machen? Klar. Aber jeder weiß genau, in welchem Umfeld sowas geht oder nicht. Machen Frauen übrigens ganz genauso.

Es ist auch aus einem ganz praktischen Grund schlecht, Männer unter Generalverdacht zu stellen oder bei jedem unerwünschten Verhalten gleich nach der Höchststrafe zu rufen. Wie sollen den funktionierende Beziehungen entstehen, wenn ich vor dem Sex ein schriftliches OK brauche und trotzdem hinterher behauptet werden kann, dass man seine Meinung geändert hat aber sich zu unterdrückt fühlte es zu äußern? Das ist das Ende jeglichen Vertrauens. Damit landen wir in einer Gesellschaft die schlicht keine mehr ist. Eine Universallösung kann ich leider nicht anbieten. Außer vielleicht: benutzt euer Gehirn! Lasst nicht von Menschen, die ihr gar nicht kennt festlegen, was in eurem sozialen Umfeld „angemessen“ ist und was nicht. Traut euch ein eigenes Urteil zu.

So. Und bevor jetzt der Shitstrom losgeht, bekommt meine Frau einen Klaps auf den Hintern und ich lass mir ein Wurstbrot bringen. Dabei kann ich nämlich am besten überlegen was ich nächste Woche für meine Tochter kochen will, wie ich ihr am besten bei den Hausaufgaben helfe und welche Putzmittel ich für den Hausputz brauche.

Danke für’s Lesen.

Peace – Euer Christian

#keinPolitiker