Kategorien
Artikel & Beiträge

Demokratie 2.0

Bald ist es  soweit. Am 24.September, also in wenigen Tagen, ist wieder Bundestagswahl. Auch wenn das wohl mittlerweile kaum einer mehr so sieht: es macht einen Unterscheid was, oder ob, wir an diesem Tag wählen. Es ist eine der wenigen Gelegenheiten, wo wir uns, als Deutsche, als schlau oder strunzdoof erweisen können. Wollen wir „weiter so“, oder „zurück nach 1935“ oder wagen wir einen „neuen“ Entwurf? Das wären so grob die Möglichkeiten, die zur Auswahl stehen.

Also ich werde „links“ wählen, aber da sind natürlich die Geschmäcker verschieden. Damit muss man in einer Demokratie leben. Falls wir noch in einer leben. Mittlerweile darf man ruhig gelegentlich mal zweifeln, aber nehmen wir das für einen Moment mal an. Wer wird eigentlich gewählt? Na, die Volksvertreter. Schwieriger ist schon die Frage, nach welchen Kriterien man diese Vertreter aussuchen sollte. Gehen wir logisch vor. Die „Besten“ sollen es machen. Klingt einleuchtend. Problem: was bedeutet „die Besten“ in diesem Fall? Es könnten z.B. die mit der besten Qualifikation für das jeweilige Ressort sein, also nicht gerade ein Mediziner, der Verteidigungsminister wird. Leider geht das nicht so einfach, da man ja vor der Wahl nie weiß, welcher Politiker auf welchem Ministerposten landet, solange Koalitionen gebildet werden müssen und damit das unvermeidliche Jobgeschacher beginnt. „Die Besten“ könnten aber auch die Schlauesten bedeuten, in der Hoffnung, dass ein hoher IQ sozusagen als Basisqualifikation zum schnellen Erlernen verschiedener Aufgaben befähigt. Gleiches könnte man z.B. auch bei Leuten mit großer Lebenserfahrung annehmen, vorzugsweise Menschen, die viele Probleme und Schwierigkeiten im Leben hatten und diese gut gemeistert haben. Alternativ könnte man auch ganz anders vorgehen, nämlich den Bundestag als Abbild der Gesellschaft zu verstehen, also echte Volksvertreter zu wählen. Dann müsste sich der Bundestag ähnlich der Bevölkerungsstruktur der BRD zusammensetzen – mit allen Aspekten und Meinungen. Lustigerweise scheinen sich die Menschen beim Wählen mit solchen Nebensächlichkeiten gar nicht aufzuhalten. Das wird deutlich, wenn man sich die tatsächlichen Abgeordneten des Bundestags einmal ansieht. Wenn ihr nach dem Handwerker, Einzelhandelskaufmann, Friseur oder der Metzgereifachverkäuferin sucht, wird es ganz schön eng. Die Berufsgruppe, die den kompletten Bundestag beherrscht, sind die Juristen. Deren Anzahl hat sich seit 1961 im Bundestag mehr als verdoppelt. Wenn ich ehrlich bin, kenne ich kaum einen Juristen, neben dem ich im Bus sitzen will, geschweige denn, dass er mein Leben beeinflussen sollte. Wenn ich nur einen Satz als Antwort auf die Frage hätte, was im Bundestag falsch läuft, würde ich wahrscheinlich antworten: zu viele Juristen! Auch auf Position 2, 3 und 4 finden sich nicht wirklich Berufe, die viel mit dem deutschen Alltagsleben (und dessen Sorgen) zu tun haben. Politologen, Volkswirte und dann Beamte – allen voran die Lehrer. Also meistens Menschen, die sich einfach mal freistellen lassen können, etwas Politik machen und dann, ohne Druck, wieder in ihren Beruf zurückkehren können. Davon kann ein Schlosser oder die Verkäuferin bei Aldi nur träumen. Scheinbar ist die einzige Währung, in der der Wähler abrechnet, Popularität. So schafft es dann auch mal ein Ex-Catcher mit dem schönen Kampfnamen „Fieser Freiherr“ in den Bundestag und konzentriert sich fortan auf Energie, Wirtschaft, Verkehr. Oder die Sport-Ikone Eberhard Ginger, der einfach mal 53% in seinem Wahlkreis abräumt. Ich wette, wenn Günther Jauch jemals antritt, gibt es einen Erdrutschsieg. Defakto waren die letzten Bundestagswahlen viel mehr Personen als Parteienwahlen. Zwar sind es die Parteien, die nach Artikel 21 des Grundgesetzes bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken, in der Praxis funktioniert das aber eher schlecht.

Wie immer ist meckern natürlich einfach, aber konstruktive Vorschläge machen besser. Es gibt in der Tat einiges an Literatur und Forschung über die Schwachstellen einer Demokratie und wie man ihnen begegnen kann. Ein Konzept hat mir besonders gefallen, auch wenn es auf den ersten Blick ziemlich gewöhnungsbedürftig ist. Die Wahl des Ministers im Losverfahren. Die Idee ist folgende: Es wird nicht die Regierungspartei bestimmt, sondern nur noch Chefs für die entsprechenden Ressorts plus eine Oberaufsicht. Für die einzelnen Ressorts werden Pools von geeigneten Bewerbern gebildet. Die Kriterien könnte man per Volksentscheid bestimmen lassen. IQ, Lebenserfahrung, bisheriges (ethisches) Verhalten, praktische Erfahrung im Ressort usw. könnten mit einfließen und man könnte, ganz nebenbei, auch die Zielvorgaben festlegen. Echte Basisdemokratie also. Am Ende hat man dann eine Gruppe der „Besten“ für das jeweilige Ressort – außerhalb jeder Parteienzugehörigkeit. Der Glückliche wird dann aber nicht gewählt, sondern per Los bestimmt. Da ja nur geeignete Bewerber im Pool sind, hat der Kandidat auf jeden Fall eine deutlich bessere Qualifikation als im bisherigen System. Außerdem können wir im Moment ja auch keine Minister direkt bestimmen und so unterbindet das System wenigstens Vetternwirtschaft und Seilschaften sofort. Als nächstes machen wir den Mann finanziell unabhängig. Werft ihm ruhig ein paar Millionen hinterher. Natürlich nicht alles in Euro. Ich denke eher an ein fettes Gehalt plus eine Art Aktienpaket. Das Aktienpaket kann er frühestens nach 8 Jahren zu Geld machen oder es behalten und auf weitere Wertsteigerung hoffen. Der Wert der „Aktien“ wird dann auf der Basis von Arbeitslosigkeit, Umweltschäden, Gesundheits- und Bildungsstand der Bevölkerung usw. festgelegt. Das sorgt dafür, über die nächsten 4 Jahre hinaus zu denken. Das Ganze wird dann noch abgerundet mit einer möglichen Verurteilung wegen Landesverrats, wenn man sich mit einer Lobby in Bett gelegt hat oder ähnliches. Natürlich gilt dann nach Ende der Amtszeit ein branchenbezogenes Berufsverbot.

Leider haben wir so ein Modell im Moment noch nicht zur Auswahl. Also müssen wir eben noch selbst Politiker sein, die sich ja bekanntlich an der „Kunst des machbaren“ orientieren. Aber bitte wählt nicht wieder die Parteien, die euch weiter das Fell über die Ohren ziehen!

Danke für’s Lesen.

Peace.

Euer Christian