Da so ein Ding nun mal im Haus war, wollte ich der Sache auch auf den Grund gehen. Kurz ins Internet und siehe da: der Fidget Spinner scheint ein universeller Heilsbringer zu sein. Hatte ich dem Teil etwa Unrecht getan? Nicht wenige „Psychologen“ – meistens keine studierten, aber dafür mit beeindruckender Liste von Wochenend- u. Onlinekursen zur Verhaltensmodifikation von Kindern und Jugendlichen, vorzugsweise mit ADHS, preisten das Ding als „Konzentrationstrainer“ an. Wahnsinn. Wissenschaftliche Arbeiten gab es zu dem Thema zwar keine, aber liegt doch auf der Hand. Wer das Ding dreht, beruhigt sich und zappelt nicht mehr. Wenn es nur so einfach wäre….

Ganz einfach. Handspielzeug wird schon seit vielen Jahrhunderten in rituellen Handlungen eingesetzt. Jeder kennt den Rosenkranz, Muslime die Gebetsketten, selbst der Dalai Lama hat eine Gebetskette mit Kugeln und schon die Zauberer von früher kannten das Gomboly. Im Prinzip immer das Gleiche. Eine Kette mit einer Anzahl von Kugeln, die man rhythmisch, meistens zu bestimmten Handlungen oder Gebeten, durchzählt. Ähnliches passiert, wenn wir Musik mit einem prägnanten Rhythmus hören. Ganz besonders gut zu beobachten bei Techno oder ähnlichem, bei dem die Musik so manchen (auch wenn er kein Exstasy nimmt) in eine Art Trance versetzt. Häufig erzeugen wir selbst solche „Rhythmen“, wenn kein externer Stimulator zur Verfügung steht, um uns zu beruhigen. Wir wippen z.B. mit dem Fuß oder schaukeln mit dem Stuhl. Ganz genau kann den Mechanismus heute noch keiner erklären, aber einer aus meiner Sicht besten Ansätze stammt von Wolf Singer (mittlerweile schon im Ruhestand, aber früher u.a. erfolgreicher Neurowissenschaftler und Chef des FIAS in Frankfurt). Er forschte lange zum Thema „Bindungsproblem“. Das bezeichnet die Schwierigkeit zu erklären, wie unser Gehirn aus vielen Einzelteilen eine kongruente Erinnerung oder Wahrnehmung macht. Nehmen wir als Beispiel eine Rose. Es gibt im Gehirn kein Speicherplatz an dem die „Rose“ mit allen Eigenschaften gespeichert ist. Es gibt Bereiche, die „wissen“ was „rot“ bedeutet. Andere können den Begriff Blume semantisch mit Leben füllen. Wieder andere wissen, wie so ein Ding riecht und andere, dass es weh tut, wenn man sich an den Dornen sticht. So entsteht aus vielen Einzelteilen die Rose, mit all ihren Bedeutungen und Eigenschaften, in unserem Kopf. Oft sind Gehirnbereiche beteiligt, die weit voneinander entfernt liegen. Dazu kommt, dass wir vieles simultan wahrnehmen. Wenn wir also eine Rose und eine Tulpe sehen, wieso kommen wir bei den Eigenschaften nicht durcheinander? Die Antwort von Singer lautet: frequenzgesteuerte Synchronisation. Stark vereinfacht ausgedrückt: die beteiligten Hirnbereiche (Neurone) flackern kurz im gleichen Rhythmus und zeigen so an: wir gehören zu einer Wahrnehmung. Auf diese Weise kann im Hirn viel gleichzeitig passieren und keiner kommt sich in die Quere. Das gleichgeschaltete, man könnte auch sagen rhythmische, Aktivitätsmuster macht aus einem Chaos einen klaren Gedanken. Kein Wunder also, das es auf uns einen beruhigenden Einfluss haben kann, wenn wir uns rhythmisch mit irgendwas beschäftigen. Es macht uns buchstäblich Ordnung im Kopf. Egal ob wir die Perlen einer Gebetskette zählen, zu Techno tanzen, mit dem Fuß wippen oder im konstanten Tempo joggen. Die Liste ist endlos.
Wie passt jetzt also der Fidget Spinner da rein? Beruhigt der auch? Ich denke nicht. Soweit ich das beurteilen kann, wird das Ding nicht unbedingt in einem festen Rhythmus angeschubst – und damit entfällt der eigentliche Effekt. Ich denke, dass genau deswegen das Ding eher mehr ablenkt als hilft. Was bei einem Spielzeug als Zeitvertreib ja kein Problem ist, solange man es nicht als Konzentrationshilfe an Kinder oder besorgte Eltern verkauft. Zum Glück sind solche Trends ja nicht besonders langlebig. Wir können uns also beruhigt zurücklehnen. Die Dinger verschwinden auch wieder. Bis dahin beruhigen sie den Verkäufer. Der kann dann nämlich rhythmisch Geld zählen. Ich hab mir sagen lassen, das sei sogar doppelt beruhigend.
Danke fürs Lesen.
Peace. Euer Christian