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Die kommenden Tage….

In meinem letzten Blogbeitrag habe ich über meine Sehnsucht nach einem neuen Utopia geschrieben. Ein schöner Traum, leider nicht allzu wahrscheinlich. Nur ein Narr bereitet sich ausschließlich auf seine Traumzukunft vor. Zu schwarz sollte man die Zukunft auch nicht sehen, sonst wird es schwer weiter durchzuhalten. Nun mag jeder seine individuelle Linie ziehen zwischen „zu rosig“ und „zu schwarz“, aber ich finde es es ein guter Anfang mit den Prognosen zu starten, die halbwegs gesichert sind, oder, falls es keine gibt, einen aufmerksamen Blick in die Vergangenheit zu werfen.

So einen Versuch macht auch der Film „Die kommenden Tage“ aus dem Jahr 2010, von dem ich auch den Titel dieses Beitrags entliehen habe. Er beschreibt die Veränderungen im Leben einer Familie, genauer zweier Schwestern, in der Zeitspanne 2012-2020. Es vergeht eigentlich kein Jahr, in dem ich mir den Film nicht ansehe, und in jedem Jahr bekomme ich mehr Angst, dass man es sich in 2020 nicht mehr als Spielfilm, sondern als Doku ansehen wird. Eine ganz normale Familie in einer sich schnell verändernden Welt. Der Vater Anwalt der Großindustrie, die Mutter frustrierte Hausfrau, der Sohn orientierungslos und später als Bundeswehrsoldat im Ausland, und die beiden Töchter. Während die eine verzweifelt versucht, ihre Träume (Studium, Familie, heile Welt) zu retten, wird die andere durch vermeintliche Intellektuelle in den bewaffneten Widerstand gezogen. Alles beginnt harmlos – fast könnte es die Momentaufnahme einer heutigen deutschen Durchschnittsfamilie sein.

Wie sieht unsere Zukunft denn nun wirklich aus? Wagen wir doch mal eine Projektion auf der Basis der vorliegenden Daten. Im Moment scheint die Flüchtlingswelle unser größtes Problem zu sein. Dazu Altersarmut, weiterer Abbau des Sozialstaats, schwierige Wirtschaftssituationen. Der Klimawandel läuft als Problem quasi nur so mit. Der Verkauf von SUVs boomt immer noch – scheinbar also noch kein Grund zur Panik. Ich denke, nach den Erfahrungen von Kyoto usw. wird keiner mehr glauben, dass wir die Erderwärmung auf 1-2 Grad begrenzen können. Realistischer ist da schon eher Hoffnung unter 5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts zu bleiben. Bis zum Ende des Jahrhunderts hört sich lange an, aber das täuscht. Die Kinder, die heute geboren werden, werden schon kurz nach Erreichen der Volljährigkeit eine völlig andere Landkarte sehen als wir. Meine Kinder, heute 11 und 13, werden wohl schon vor dem Erreichen ihres 30. Lebensjahrs größere Veränderungen miterleben. Es passiert jetzt!

Selbst wenn wir uns nur die nächsten 20 Jahre ansehen – und damit sicher bei den meisten Lesern noch innerhalb der aktiven Lebensspanne bleiben – wird sich einiges ändern. Die wesentlichste Änderung wird Afrika betreffen. Ein Kontinent, den die westliche Welt kompromisslos Ausbeutet und ohne Skrupel als Rohstofflieferant ausnutzt. Seit wir die EU (und Entwicklungshilfe) haben, muss Afrika auch noch als Abnehmer unserer Über- oder Billigproduktionen herhalten. Auch unseren Müll lassen wir dort hinreisen. Durch den Klimawandel wird Zentralafrika und weite Teile des Restkontinents schlicht unbewohnbar. Wer dort bleibt, stirbt. Die Folgen für die Umwelt werden verheerend sein, aber die Folgen der unvermeidlichen Völkerwanderung werden uns eher treffen. In Afrika leben mehr als 1 Milliarde Menschen – zum Vergleich: Europa hat gerade Mal ca. 750 Millionen. Gehen wir dann davon aus, dass mindestens 50% der Menschen (konservative Schätzung) Afrika verlassen müssen, wenn sie überleben wollen, haben wir es also in der Tat mit einer Völkerwanderung zu tun. Es werden sich nicht alle auf einmal auf den Weg machen. 1-2 Generationen lang wird nur ein kleiner Teil kommen. Die die bleiben, werden sich an Tod und Elend gewöhnen. Es wird eine Generation aufwachsen, die ohne Chance ist und nichts zu verlieren hat. Sie wird daran gewöhnt sein, um knappe Ressourcen zu kämpfen und um überleben zu können, weitgehend empathiefrei ist. Zur Klarstellung: Das hat nichts mit Rasse, Religion oder sonstigen spezifischen Eigenschaften zu tun. Das ist die unausweichliche Folge der Umstände. Unsere Gesellschaft würde sich mit diesen Rahmenbedingungen genauso verändern. Auf den Weg machen sich dann nur noch die Jungen und Starken. Diejenigen die gekämpft haben und sich durchzubeißen wissen. Die schlauen, pfiffigen aber genauso die brutalsten von Allen. Die Familien, die Alten und Schwachen werden den Weg kaum schaffen. Schon heute ertrinken im Mittelmeer bei den Flüchtlingen überwiegend Frauen, Kinder und Alte. Diese Verzweifelten werden dann auf ein befestigtes Europa treffen. Europa, der Mittelschicht beraubt, überaltert und einer jungen Generation die ebenfalls mit einer 1.-Welt Perspektivlosigkeit aufgewachsen ist. Welche Ziele sind in Europa den interessant? Wo wird es keine katastrophalen Folgen des Klimawandels geben? Portugal, weite Teile Spaniens und Süditaliens wird es sicher auch treffen. Bleibt Frankreich, Deutschland, UK, Skandinavien und eventl. Osteuropa. Ein paar davon werden sicher die Landesgrenzen verteidigen, aber in vielen Staaten gibt es dazu gar nicht die entsprechende Landesverteidigung. Deutschland z.B. wird wohl kaum wieder in die Bundeswehr investieren oder eine Mauer bauen.

Spätestens jetzt möchte man lieber mit dem Gedankenspiel aufhören. Die Welt, wie wir sie heute kennen (oder besser sehen) wird dann aufhören zu existieren. Eine Flut von Menschen die absolut nichts zu verlieren hat auf der Suche nach einer Zukunft. Menschen die gelernt haben, dass keine Hilfe aus Europa zu erwarten ist und die schon ihr Leben lang für das eigene Überleben gekämpft haben. Wir, mit unseren Handys die ohne Koltan und andere Rohstoffe aus Afrika nicht funktionieren, unseren SUVs, unserem Bedarf an Kakao, Bananen, Erdöl, Diamanten, Baumwolle… – die Liste könnte endlos so weitergehen. Wir haben Afrika fast alles genommen und den meisten Afrikanern unseren Wohlstand verweigert. Wir haben das freie Saatgut durch gentechnisch verändertes und teures ersetzt. Sogar Wasser will Nestle und Co dort lieber verkaufen. Heute könnte die Erde auch ein 1.-Welt Verschwendungsnivieau ausgedehnt auf die 3. Welt nicht mehr aushalten.

Wenn das so kommt, wird sogar unsere Generation wieder physisch – mit der Waffe in der Hand – ums Überleben kämpfen müssen. Das klingt hart. Aber die kleine Menge an Flüchtlingen aus Syrien hat doch schon gezeigt wie wenig unsere Gesellschaft mit solchen Veränderungen umgehen kann. In 20 Jahren, wenn die wirtschaftliche Situation der meisten Menschen hier noch wesentlich schlechter sein wird wird ein kleiner Funke reichen um das Pulverfass zu zünden. Zyniker machen heute schon den Waffenschein und kaufen Aktien von Firmen die Stacheldrähte herstellen.

Einstein hat mal gesagt, dass es unerwartet schwer ist, die Menschen zu überreden ihrem eigenen Überleben zuzustimmen. Das gilt heute mehr denn je. Die notwenigen Schritte sind scheinbar in unserem politischen System nicht durchzusetzen. Ich bezweifle, dass z.B. ein radikaler Schuldenerlass für Afrika sowie der erhebliche Ausbau der Entwicklungshilfe, der Umbau unseres Steuersystems (Ressourcenverbrauch muss VIEL teurer werden), das Ende der Externalisierung von Problemen (z.B. Müllentsorgung im Ausland) wirklich eine breite Zustimmung finden würde – weil es nämlich nicht umsonst kommen kann. Wir müssten wirklich Opfer bringen. Am wichtigsten wäre aber eine Reform unseres Wirtschaftssystems. Wachstum als Antrieb und Pflicht führt unausweichlich zur Zerstörung. Es gibt in der Natur nur ein Beispiel für unbegrenztes Wachstum: Den Krebs – und der tötet am Ende den Wirt.

Wir werden uns entscheiden müssen, ob wir lieber kämpfen oder teilen wollen. Noch geht teilen – und schlauer wäre es auch. Mir gefällt Teilen viel besser als Kämpfen. Schaut Euch doch mal den Film an, über den ich am Anfang dieses Blogs geschrieben habe.

Danke für’s Lesen.

Peace – Euer Christian

 

 

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Wenn ich einmal reich wär‘!

Source: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Euro-1_neu2.jpg
Source: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Euro-1_neu2.jpg

Nein, es handelt sich hier nicht um ein Essay über schnelle Autos, teure Uhren, exklusive Yachten und schöne Frauen – Alternativ für Menschen mit etwas älterer Vorbildung: Nein, es geht hier nicht um das Musical Anatevka. Wer also gerne über die Insignien von Reichtum und Macht liest, versucht es vielleicht besser auf iamarichrapayoubitch.com oder so.

Es geht vielmehr um die Frage was passieren würde, wenn man genug Ressourcen (neumodisch für Geld) hätte um wirklich was zu bewegen. Zugegeben, ich bin nicht der erste mit so einem Gedankenspiel. Schon sehr lange geistern verschiedenste Utopien von alternativen Gesellschaften durch die Literatur und Philosophie. Der tatsächliche Utopia Roman von Thomas Morus ist da bei weitem nicht der einzige. Auch heutzutage gibt es gute Berichte über alternative Versuche. Einer der letzten über den ich gelesen habe war Gaviotas (kann das Buch sehr empfehlen). Die Siedlung wurde 1971 gegründet und bis heute leben dort ca. 200 Menschen.

Fast Alle dieser Konzepte (genau genommen 100% von denen ich weiß) sehen die Unverzichtbarkeit von modernen Erziehungs- und Lernkonzepten für den Erfolg der Unternehmung. Kein Wunder. Ein geschlossenes Ökomodell für eine „Ernte“ am Leben zu halten ist nicht wirklich schwer. Nachhaltigkeit schon. Da sind die Menschen nicht anders als die Pflanzen. So unterschiedlich die Modelle auch sind, nicht immer handelt es sich um rein theoretische Überlegungen. Das beste Beispiel ich für mich das vielzitierte Beispiel Finnland, wenn es um eine Schulreform geht. Klar, fast jeder hat mitbekommen, dass Finnland es in weniger als einer Generation vom unteren PISA-Drittel  ganz an die Spitze geschafft hat. Die wenigsten (Profis aus Schule und Bildungswesen ausgenommen) dürften sich mal die Mühe gemacht haben rauszufinden woran das lag. Es gibt viele

Source: Michael Moore.
Source: Michael Moore.

Möglichkeiten das rauszufinden und eine kurzweilige ist z.B. der neue Michael Moore Film „Where to invade next“. Kurz zusammengefasst könnte man sagen: (weitgehender) Verzicht auf Hausaufgaben, weniger Schule (Stunden), mehr musische Fächer, Förderung der Schlüsselqualifikationen (Problemlöseverhalten, strukturiertes Arbeiten, sozialer Umgang, usw). Schon spannend wie man damit plötzlich bei den Rechen- u. Schreibtests von PISA ganz vorne mit dabei sein kann. Möglicherweise habe ich über die Walldorfschüler einmal zu viel gelacht! Dabei geben die Finnen gar nicht mehr, sondern weniger Geld für Schulen aus als wir. Das wäre ein mögliches Indiz dafür, dass man gar nicht so viel Geld haben muss um wirklich was zu bewirken. Oder wie Nena es in einem Song so schön ausdrückt: „Ich will nicht arm sein, aber Geld macht mich nicht reich“. Hammer wen ich hier alles zitiere….

Was ist eigentlich das Kernstück unserer Bildung, oder besser gesagt das Vehikel das wir dazu nutzen? Klar, Schule usw. Aber lasst uns etwas abstrakter werden. Schule beruht im Prinzip auf dem gleichen Konzept wie Verhaltenstherapie – die übrigens die am häufigsten angewandte Interventionsmethode bei psych. Problemen ist.

Lustige Gemeinsamkeit – oder vielleicht doch nicht so lustig!?

Das ganze beruht wiederum auf Forschung von einem gewissen Herrn Skinner. Auch wenn Sie den Namen noch nie gehört haben: Er ist Ihnen schon begegnet. Er hat viele Bücher geschrieben, z.B. über die Themen „klassische“ und „operante“ Konditionierung. Außerdem hat der zu diesen Themen die sog. Skinner-Box erfunden. Einfaches Prinzip: Wenn das

Source: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Skinner_box_de.png
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Versuchstier auf ein Signal nicht die gewünschte Reaktion zeigt gibt es kein Leckerli oder sogar einen Stromschlag oder etwas ähnlich Unangenehmes. Wie das so im Detail funktioniert kann man hier Nachlesen. Verhaltenstherapie ist so ähnlich – nur meistens ohne Stromschlag. Wie genau läuft das eigentlich in der Schule? Genau! Gleiches Prinzip. Und genau das haben die Finnen eben anders gelöst. Aber das noch bessere Beispiel liefert Skinner selbst. Die meisten Psychologen haben den guten Mann während der Ausbildung als knallharten Behavioristen kennengelernt. Die Vorstellung, dass jemand eine Box erfindet die dann kleinen Nagern Stromstöße gibt, wenn sie nicht parieren ist auch nicht besonders sympathisch. Ich glaube aber, dass wir dem guten Skinner unrecht tun. Im Gegensatz zu uns als Gesellschaft – die seine Lehren einfach auf unsere didaktischen und pädagogischen Konzepte sowie die Arbeitswelt angewandt haben – hat er weitergedacht. Er hat das Gute in dieser Idee gesehen.

Kaum beachtet neben seinem wissenschaftlichen Werk hat er Anfang der 70er das Buch „Walden 2“ (in Deutschland unter dem Titel „Futurum II“ erschienen) geschrieben. Es ist ohne Frage eines der Bücher das meinen Blick auf die Welt völlig verändert hat. Leider ist das Buch seit vielen Jahren nur gebraucht zu bekommen, aber dafür bekommt man für 2-3€ eine echte Inspiration. In seinem Buch zeigt Skinner wie man auf den Ideen seiner Forschung eine zutiefst freie und humanistische Gesellschaft aufbauen kann. Im Unterscheid zu vielen anderen Konzepten wird von Anfang an auf die Wirtschaftlichkeit des Modells wertgelegt.  Auch die Fragen wie man das „Außenverhältnis“ regeln kann – er nimmt nicht an, dass er schlagartig die ganze Welt bekehren kann – werden berührt. Das Ganze stellt letztlich eine Zusammenfassung vieler aktueller Positionen des heutigen Diskurses um die Frage „Wie sollen wir Leben“ da – 50 Jahre bevor wir diesen Punkt erreicht hatten. Bedingungsloses Grundeinkommen, freie Lehre, freies Gesundheitswesen, (flexible) Bezahlung nach dem gesellschaftlichen Wert der Arbeit, Gleichberechtigung und vieles mehr findet sich in seinem Konzept.

Viel bräuchte es nicht um dieses kleine Utopia, oder besser Futurum III, zu bauen. Zunächst braucht man einen Platz dafür. Wie z.B. die riesigen Flächen die in den neuen Bundesländern nahezu menschenleer sind und für „ein Butterbrot“ verkauft werden, weil es dort keine Arbeit gibt. Dann bräuchte man einen Kern von Menschen. Sozusagen die Saat. Diese Gründungsväter müssten noch bereit sein weitestgehend für die folgende Generation zu arbeiten und, noch wichtiger, das entsprechende Know-How mitbringen. Neben Handwerkern, Ärzten, Ingenieuren und Architekten bräuchte es aber auch eine Anzahl Künstler, Spinnern und Lebenskünstler damit es funktioniert.

Womit wir wieder am Anfang wären: Wenn ich einmal Reich wär! Wäre das nicht eine tolle Idee ein Stück Land zu kaufen und die Gründungsväter zusammen zu suchen? Was könnte aufregender oder lohnender sein? Das letzte echte Abenteuer: die Schaffung einer besseren Welt. Zumindest der Versuch lohnt sich auf jeden Fall.

Source: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Uckermark_Blick.jpg
Source: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Uckermark_Blick.jpg

Wer weiß? Vielleicht gewinne ich ja einmal den Jackpot. Dann wundert Euch nicht wenn ich dann aus der Uckermark schreibe und ein paar von Euch einlade 😉

Danke für’s Lesen.

Peace – Euer Christian