
Kaum ist Paris aus den Profilbildern verschwunden (siehe Beitrag 1-Klick Empathie) gibt es schon die nächste Hiobsbotschaft. Diesmal zum Glück ohne Tote, nur mit einem abgesagten Fußballspiel. Trotzdem verändert die Nachricht für viele zum ersten Mal wirklich das Gefühl für Sicherheit: Der Terror findet nicht mehr nur im Ausland statt. Er ist hier!
Verunsicherung überall, weniger Panik. Bisher ist ja noch nichts passiert. Man kann noch lachen und der verunglückte Beruhigungsversuch unseres Innenministers (#DoItLikeDeMaiziere) sorgt mittlerweile eher für Heiterkeit als für echte Empörung.
Wie aber Stepi schon lage wußte: Lebbe geht weider. Was machen wir nun mit den diffusen Terrorwarnungen? Wie jagen/fangen/neutralisieren wir jetzt die Terroristen? Wie schützen wir uns? Wer sich für solcherlei Fragen interessiert muss eine Neigung zum Masochismus haben. Es gibt nämlich eigentlich nur zeitraubendes Gelaber und keine echten Antworten.
Machen wir eine kleine Zeitreise. Es ist nämlich nicht das erste Mal das Deutschland vom Terror heimgesucht wird. In den späten 70er Jahren war es die RAF im „Deutschen Herbst“. Zugegeben, andere Ideologie – aber Maschinenpistolen hatten die damals auch. Es war die berühmte Jagd auf 6 unter 60 Millionen und es erforderte die ganze Leistungsfähigkeit von Polizei, Staatsschutz und Regierung. Die RAF war eine, aus heutigen Gesichtspunkten, relativ kleine Gruppe mit Nachwuchssorgen. Die IS steht da auf ganz anderen Füßen. Genügend Geld aus Saudi Arabien, riesige Anzahl an potentiellen Mitgliedern (da es eben genug perspektivlose Jugendliche auf der ganzen Welt gibt) und ein modernes und effektives Operationskonzept.
Machen wir uns nichts vor: Wir können uns nicht gegen Terroranschläge schützen! Klar, wir können das Risiko minimieren, wachsam sein, etc. Aber es gibt keine Sicherheit mehr, so wie wir das bisher gewohnt waren. Na und? Wir leben den ganzen Tag mit unabwendbaren Risiken. Wir rauchen, saufen, fahren Auto, wahnsinnige sogar Motorrad oder Fahrrad. Essen krebserregende Wurst (glaub ich auch nicht) und wählen dauernd Politiker die uns in die Scheiße reiten. Das Leben ist riskant. Kommt mal klar Leute!

Oft höre ich „Wir lassen uns vom Terror nicht vorschreiben wie wir zu leben haben“. Ich glaub das ist Quatsch. Jeder der bei Verstand ist wird schon auf die aktuelle Situation reagieren und das ist auch gut. Augen aufhalten, wachsam sein ohne hysterisch zu werden. Das kann helfen. Damit das gut funktioniert, muss allerdings auch ein Vertrauensverhältnis neu belebt werden. Die Bürger müssen unseren Sicherheitsorganen vertrauen. D.h. wir müssen uns drauf verlassen, dass der Staat für uns eine Sicherheitsabwägung für Veranstaltungen usw. vornimmt. Ehrlich gesagt würde mir das leichter fallen, wenn nicht solche Pressekonferenzen wie nach dem abgesagten Fußballspiel stattfinden würden. Der Hinweis darauf, das Infos die man nicht mitteilen will, die Menschen nur verunsichern würden, sind da bestimmt nicht hilfreich. Aber da es wohl für Alle eine schwierige und neue Situation war lass ich es mal als Anfängerfehler gelten. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal besser. Einen guter Artikel zum Thema findet sich übrigens hier.

Werfen wir mal einen Blick auf Städte wie Tel Aviv oder Jerusalem. Ich würde mit den Menschen dort nicht tauschen wollen, aber man kann sehen das die Lösung auf diese Gefährdungslage nur das schlichte „weiterleben“ ist. Es ist sicher einige gehörige Portion Trotz und Mut die dazu nötig ist, am Tag nach einem Bombenanschlag wieder auf den Markt zu gehen, aber ich glaube wir, als Gesellschaft, haben das auch drauf! Die Räumung des Stadions und Umgebung in Hannover ging ganz ohne Panik. Klar, ist was anderes wenn Maschinengewehrfeuer zu hören ist. Trotzdem glaube ich, dass wir als Gesellschaft lernen können (und müssen) mit der Gefährdungslage zu leben.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich finde es richtig Veranstaltungen abzusagen, wenn eine konkrete Gefährdungswarnung vorliegt. Ich halte nix davon aus „Symbolcharakter“ sein Leben zu riskieren, aber für jede abgesagte Veranstaltung kann man dann ja 2 andere besuchen. Oder wie Helge Schneider es gestern perfekt auf den Punkt gebracht hat: Wenn ich heute und morgen aus Sicherheitsgründen absagen muß, dann komm ich halt Donnerstag wieder! Ganz einfach. Wir gehen einfach weiter zu Weihnachtsmärkten, Konzerten, Demonstrationen und wenn halt eine konkrete Gefährdungslage vorliegt lassen wir das eben mal ausfallen und gehen zur nächsten. Fick Dich IS!
Was wir aber nicht vergessen dürfen: Nur Trotz wird den IS nicht besiegen. Als Bürger haben wir aber nur eine Möglichkeit den IS konkret zu bekämpfen: Wir können seine Rekrutierungsstrategie durchkreuzen. Auf Facebook macht seit einigen Tagen ein Zitat von Nicolas Hénin die Runde. Der Mann weiß was er sagt. Er war 10 Monate als Geisel in der Hand von Dschihadi John und den anderen Schwachköpfen von der IS.
„Ich kenne sie. Was sie erwarten, sind Bomben, was sie fürchten, ist Einheit.“
Das ist genau der Punkt an dem wir sie besiegen können. Im Irakkrieg wurde die ganze Welt mit einem falschen Zusammenhang zwischen 9/11 und Irak in den Krieg gelockt. Diesmal lassen wir uns nicht erzählen, dass Terrorismus und Asylsuchende das Gleiche sind. Die Terroristen werden nicht importiert. Wie Peter Neumann (ein ausgewiesener Experte für islamistischen Terror) sagte, kommen die Terroristen eher aus Wolfsburg den aus Raka. Eine hohe Zahl sind Konvertiten. In den meisten Fällen handelt es sich um die 3. Generation von Einwanderern. Menschen, die seit Geburt einen europäischen Paß haben, aber nie Teil der Gesellschaft geworden sind. Es sind auch nicht wirklich Muslime. Wenn man einem deutschen Iman wie Husamuddin Mayer zuhört, der z.B. straffällige Muslime in Gefängnissen betreut, hört man, dass nahezu keiner wirklich etwas über den Koran bzw. die Glaubensgrundsätze des Islam weiß. Das wenige, dass diese jungen Menschen über den (radikalisierten) Islam Wissen reicht aber schon um endlich die Bildung einer Gruppenzugehörigkeit, Identität und Perspektive zu ermöglichen nach der sich diese jungen Menschen so sehr sehnen. Gemeinsam haben die uns bekannten Konvertiten am Anfang lediglich ihre „Verliererbiografien“. Erst die falschen Versprechungen von vermeintlichen Religionsführern machen aus ihnen Terroristen.
Keine Frage, wer mit der Waffe in der Hand in Städten wahllos auf Menschen schießt ist für die Gesellschaft verloren und muss um jeden Preis gestoppt werden. Auch schon Menschen die bereit sind, sich dazu Ausbilden zu lassen würde ich für legitime Ziele von Gegenwehr halten. Aber nur die bereits radikalisierten Menschen zu bekämpfen wird das Problem nicht lösen.
Religionskriege gibt es nicht. Gab es nie. Die Kämpfer, ich würde sie lieber Bauernopfer nennen, mögen an eine Religion glauben. Die Entscheider sind sicher völlig anders motiviert. Immer geht es um die zwei universellen Kriegsgründe: Geld und/oder Macht. Das wäre übrigens auch ein guter Ansatz um Terrorismus wirklich zu bekämpfen.
…. und heute wäre eine gute Gelegenheit für „Wir schaffen das!“.
Danke für’s Lesen.
Peace
Christian