Was sind eigentlich gute Vorbilder?

Ihnen kommt der Titel komisch vor? Sie kennen Eddie nicht? Keine Sorge! Wenn Sie nicht gerade in den 70er vor Hawaii gesurft sind kennen Sie Eddie Akaui wahrscheinlich nicht. Schade eigentlich. Eddie war prägend für eine ganze Generation von Surfern – nicht (nur) wegen seinen Fähigkeiten auf dem Brett. Vielmehr war es seine Lebenseinstellung die ihn zur Legende machte. Eddie war der Prototyp von einem Held, einem wertvollen Teil der Gemeinschaft. Jemand, der seine eigenen Interessen der „Sache“ unterordnete. Als Rettungsschwimmer holte er viele verlorene geglaubte ins Leben zurück. Kein einziger Mensch ertrank an seinem Standabschnitt. Sein Mut beeindruckte alle. Er starb wie er lebte. Bei dem Versuch auf offen Meer für seine Freunde Hilfe zu holen verschollen, wahrscheinlich ertrunken. Auch heute sagen noch viele Surfer, wenn sie einer unlösbaren (Surf)Aufgabe ins Auge sehen „Eddie would go!“, und machen sich so Mut um bei der Herausforderung ihr bestes zu geben. Eddie das Vorbild.
Wir alle haben Vorbilder. Klar. Aber wie suchen wir uns unsere Vorbilder eigentlich aus? Was macht jemanden zu einem guten Vorbild? Kann ich auch selbst Vorbild sein? Viele Fragen und keine einfachen Antworten. Oder doch?
Im wesentlichen Erwarten wir von einem Vorbild, dass er „Gut“ bzw. erfolgreich ist. Dieses Attribut ist natürlich einem gewissen Wandel in Zeit und Gesellschaft unterworfen. Beispiel Banker: Ende der 80er und Anfang der 90er war Banker ein toller Beruf. Wer Bankkaufmann bei der Sparkasse lernte hatte es geschafft. Später dann ins Wertpapiergeschäft zu kommen war der Olymp. Solchen Leuten eiferte man nach. Es waren die Beispiele die Eltern ihren Kindern zum Schulabschluss vor die Nase hielten. Reich werden war cool! Geh raus – werde Master of the Universe war die Devise. Ich gehe davon aus, dass ich auf das Renommee von Bankern heutzutage nicht weiter eingehen muss.
Irgendwie suchen sich die Jüngeren sowieso immer andere Vorbilder aus. Ich gebe allerdings zu, dass mich die „Idols“ der aktuellen Teenager etwas verwirren. Zu meiner Zeit mussten die noch irgendwas cooles können. Heute reicht es wohl schon ein ehemaliger Straftäter zu sein und regelmäßig „Bitch“ ins Mikro zu nuscheln. Wenn man dann noch die coolen Moves drauf hat….
Wie kommt es eigentlich, dass es heute so wenige und, wenn überhaupt, so seltsame Vorbilder gibt? Wie kommt es, dass sich ein Jugendlicher z.B. 50cent als Vorbild für seine zukünftige Gangsta-Rapper Karriere nimmt? Wieso ist Ghandi als Vorbild völlig out – D! Soost aber angesagt?
Beim Nachdenken über solche Fragen benutze ich gerne Ockhams Rasiermesser und mache mich auf die Suche nach der einfachsten Lösung. Ein Vorbild muss zunächst einmal sichtbar sein. Um zu jemanden aufschauen zu können müsste er überhaupt mal zu sehen sein. Zu sehen sein hat 2 Aspekte. Zum einen im persönlichen Umfeld, also Familie, Schule, etc. Zum anderen ist es die Medienpräsenz. Gerade dieser Faktor ist heute um einiges höher als noch vor 15 Jahren. Über den Konsum von TV und Internet sind schon ganze Buchregale vollgeschrieben worden.
In beiden Fällen ist es aber letztlich das eigene Regelwerk, wir können es auch gerne Moral oder Ethik nennen, das entscheidet wer als Vorbild taugt. Stimmen Sie soweit zu? Gut – ab jetzt wird es nämlich schmerzhaft.
Wenn wir also darüber meckern, dass unsere Kinder den falschen Vorbildern nacheifern müssen wir uns 2 Dinge sagen: 1. Offensichtlich konnten in der Familie keine besser geeigneten Vorbilder gefunden werden. 2. Die Wahl des Vorbilds spiegelt das ethische Regelwerk des Betreffenden wieder. Aua, oder?
Das mit dem ethischen Regelwerk ist eine Story für sich aber ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: In der Regel wird in Zeitungen immer dann berichtet wenn irgendwas gegen den „Moralkodex“ verstößt. Mittlerweile finden sich aber schon Artikel in der Presse, bei denen berichtet wird, weil sich jemand Regelkonform verhalten hat. Meistens in der Rubrik kurioses. Glauben Sie nicht? Lesen Sie mal den Spiegel 5/2011, Seite 51. Dort wird über eine alte Dame berichtet, die eine offene Leihrechnung ihres Ehemanns begleichen wollte, obwohl sie auch so davon gekommen wäre.
Was wäre eine effektive Maßnahme um unsere Kinder bei der Auswahl von geeigneten Vorbildern zu unterstützen? Man könnte sie mit einigen bekannt machen! Lassen Sie doch den Flatscreen Abends mal aus und erzählen Sie die Heldengeschichte von dem Mann, der ein ganzes Land befreite ohne auch nur 1 x Gewalt anzuwenden? Oder von der Großmutter, die nach dem Krieg mit buchstäblich Nichts das Überleben der Familie sicherte. Es gibt soooo viele Heldengeschichten. Zur Not können Sie ja auch den guten Eddie bemühen. Geben Sie Ihren Kindern die Gelegenheit echte Vorbilder kennen zu lernen. Überlassen Sie es nicht RTL und Co. die passenden auszusuchen.
Noch besser wäre es allerdings, wenn Sie ein paar tolle Geschichten über sich selbst erzählen würden. Damit hätten Sie dann auch was davon! Wie wäre es mit der Geschichte, bei der Sie versucht haben einen Spruch Ihres Vorbilds zu beherzigen. Mir persönlich gefällt „Action expresses priorities“ von Ghandi besonders gut. Leicht zu merken, aber der Teufel steckt im Detail 🙂
…übrigens: Wenn Sie anfangen sich die richtigen Vorbilder auszusuchen und ihnen Nacheifern könnte das Wunder wirken. Lesen Sie doch mal ein paar Artikel zum Thema „Lernen am Modell“ von Tausch & Co. (Link). Das wußte aber auch schon Karl Valentin. Von ihm stammt der Ausspruch „Sie brauchen Kinder nicht zu erziehen, sie machen einem sowieso alles nach.“
Vielen Dank für’s Lesen!
Peace – euer Christian